Assassini
In diesem Zeichen wirst du siegen.‹ Als er am Morgen zur Schlacht antrat, war auf den Schilden seiner Soldaten und den Stirnen ihrer Pferde das Zeichen das Kreuzes gemalt. Und er siegte, wie es ihm in der Vision prophezeit worden war. Rom gehörte Konstantin; nun war er endgültig Beherrscher des Weströmischen Reiches. Und er wußte: Die Macht Jesu hatte ihm zum Sieg verholfen.
28. Oktober 312.
Noch immer schweißgebadet, vom Blut der Feinde und vom Schmutz der Schlacht besudelt, befahl der Kaiser, nach Trastevere geleitet zu werden, einem Stadtteil Roms, wo ihm ein von schrecklicher Angst erfüllter, kleiner brauner Mann vorgeführt wurde, ein Afrikaner: Miltiades, der Papst. Miltiades hatte sein Leben im Verborgenen verbracht, in ständiger Furcht vor der Gefangennahme und der unabwendbaren Hinrichtung, und er rechnete mit dem Schlimmsten. Er war so ungebildet, daß er bat, einen Dolmetscher kommen zu lassen, denn er verstand kein Wort von Konstantins perfektem höfischem Latein. Er stand zitternd vor dem hünenhaften blonden Cäsaren. Aber die Botschaft Konstantins war unmißverständlich, und sie änderte den Lauf der Weltgeschichte.
Von nun an war alles anders, neu, besser. Rom wurde christlich. Der Kaiser ließ einen Nagel aus dem Kreuz Jesu in seine Krone einarbeiten, ein anderer wurde in ein Gebißstück am Zaum seines Pferdes eingeschmiedet, so daß er ihn in jede Schlacht begleitete.
Am folgenden Tag ritten Konstantin, Miltiades und dessen Nachfolger Silvester an der Arena des Caligula und den Tempeln des Apoll und der Cybele vorüber zum Friedhof auf dem Vatikanhügel, wo Konstantin über den Gebeinen des Petrus und Paulus kniete, im Gebet versunken. Als die Gruppe anschließend über das Friedhofsgelände schlenderte, legte Konstantin seine Pläne dar: Hier, über den sterblichen Überresten Petri, sollte eine Basilika errichtet werden, die den Namen des Apostels trug, und Pauli Gebeine sollten an jene Stelle an der Straße nach Ostia überführt und dort beigesetzt werden, wo er den Märtyrertod gestorben war, und auch dort sollte eine Basilika erbaut werden. Aber das war noch nicht alles. Konstantin hatte sich zu einem Mann gewandelt, der eine Mission zu erfüllen hatte. Die Gruppe ging zum Lateranhügel, auf dem sich die Paläste einer uralten römischen Familie befanden, der Laterani. Konstantin öffnete die Tore: »Fortan ist dies das Heim des Miltiades und jedes Nachfolgers des heiligen Apostels Petrus.«
Fünfzehn Monate später war Miltiades verstorben, und Silvester war Papst, von Konstantin gekrönt. Silvester, der erste wirklich weltliche Papst, begriff mit einer geistigen Schärfe, welche die des Miltiades bei weitem übertraf, die neue und unabänderliche Zukunft der Kirche. Es war Silvester, der das Band zwischen Kirche und Kaisertum schmiedete und der auf diese Weise die erste weltumspannende Kirche schuf, weil das Christentum sich über das gewaltige Straßennetz des römischen Kaiserreichs verbreiten ließ, bis in den entlegensten Winkel des riesigen Herrschaftsgebiets. Es war Silvester, der Konstantin die Beichte abnahm. Es war Silvester, der den Siegeszug des Christentums erlebte, ohne daß erst auf die Wiederkunft Jesu gewartet werden mußte. Jesus Christus konnte sein Reich nun mit Hilfe der Macht Roms über die ganze damals bekannte Welt ausbreiten, ein Reich, das von den Nachfolgern auf dem Thron des heiligen Petrus regiert wurde.
»Drei Jahrhunderte lang war unsere Existenz der Welt praktisch verborgen geblieben«, sagte Sandanato, »waren die Christen doch gejagt und gefoltert worden und hatten ein Leben in Angst und Dunkelheit gefristet. Jetzt hatte Silvester die einzigartige Gelegenheit, die Kirche und ihre Botschaft in die Welt zu tragen und sie gemäß den Aufgaben zu formen, die die Welt an die Kirche stellte. Jesus hatte zu Konstantin gesprochen, hatte ihn bekehrt, und Konstantin war das Mittel, den Rest der Welt zu bekehren. Das Geistige vermählte sich mit Reichtum und Prunk und militärischer Macht. Mit Konstantins Hilfe konnte Silvester jetzt zurückgreifen auf das, was Jesus einst auf dem Berge Hermon zu Petrus gesagt hatte.« Sandanato hielt inne und blickte mich an, als erwartete er von mir, daß ich die entsprechende Bibelstelle aus den Tiefen meines Gedächtnisses hervorkramte. Also suchte ich, und ich fand sie auch.
»›Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben,‹« zitierte ich. »›Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im
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