Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
hörte, wie das Haus im Wind knarrte und ächzte; heute waren offenbar alle Gespenster unterwegs.
    Im Long Room brannte Licht.
    Sandanato saß in einem der senffarbenen Ledersessel, mit dem Rücken zum erloschenen Kamin.
    »Hier ist es ja eiskalt«, sagte ich.
    Auf dem Tisch neben ihm stand eine Flasche Brandy. Auf seinem Schoß hielt er mit beiden Händen einen Cognacschwenker. Im Ascher qualmte eine Zigarette. Er blickte langsam auf, schaute mich an. Seine Lider waren schwer, und sein Gesicht wirkte eingefallen. Mein plötzliches Erscheinen schien ihn nicht zu überraschen.
    »Ich konnte nicht schlafen«, sagte er. »Und ich fürchte, ich habe den Brandy gefunden. Habe ich Sie geweckt?«
    »Nein, nein, ich konnte auch nicht schlafen. Ich habe an das morgige Begräbnis gedacht. Es wird hier sehr lebhaft zugehen. Die Hälfte der Trauergäste wird damit rechnen, daß meine Schwester von den Toten aufersteht und allen guten Katholiken die Errettung der Seelen verkündet, und die andere Hälfte ist sowieso der Meinung, daß sie einen Pakt mit dem Satan geschlossen hat und schon längst im ewigen Feuer der Hölle schmort. Mehr oder weniger. Ich bin mit den Nerven ziemlich am Ende.«
    Er nickte. »Das hört sich so an, als hätten Sie fast so viele Probleme wie ich selbst – darf ich Ihnen einen Schluck von Ihrem Brandy anbieten, Mister Driskill?«
    »Selbstverständlich dürfen Sie das.« Er schenkte mir großzügig ein, doch ich bat ihn um noch mehr. »Und … halt.« Er reichte mir den Schwenker. »Danke, Monsignore. Möge der Schlaf rechtzeitig über uns kommen.« Wir prosteten uns zu.
    »Sind Sie der Maler, wenn ich fragen darf? Es ist eine bemerkenswerte Arbeit. Wirklich bemerkenswert. Eine sehr lebendige Stimmung. Es zeugt von einer tiefen Spiritualität.«
    Für einen Moment hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wovon er sprach; dann nahm er einen Zug an der Zigarette und deutete zum anderen Ende des Zimmers. Da wußte ich, was er meinte. Er hatte den kleinen Vorhang von der Leinwand gezogen, die auf der Staffelei stand. Natürlich konnte er nichts von der heftigen Abneigung meines Vaters gegen Leute wissen, die einen Blick auf Gemälde warfen, an denen er noch arbeitete. Ich strengte meine Augen an, um durch das trübe Licht der Tischlampe etwas erkennen zu können.
    »Mein Vater. Mein Vater ist der Maler.«
    »Ein ausgeprägter Sinn für das Theatralische. Und ein bewundernswertes Einfühlungsvermögen, was die Kirchengeschichte betrifft. Hat er schon mal eine der großartigen Klosterruinen gemalt? Es gibt einige unglaublich dramatische Perspektiven … Aber dieses Bild ist wirklich sehr schön. Haben Sie es vorher schon mal gesehen?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Er zeigt uns seine Arbeiten immer erst dann, wenn sie abgeschlossen sind.«
    »Dann soll es unser Geheimnis bleiben. Die Eitelkeit des wahren Künstlers.« Er erhob sich aus dem Sessel; sein Profil zeichnete sich im Licht der Tischlampe ab. Seine Nase war leicht gebogen, beinahe wie eine Hakennase. Auf seinem Gesicht lag ein feiner Schweißfilm, obwohl es im Zimmer so kalt war. »Kommen Sie, werfen Sie einen näheren Blick darauf. Sie werden das Gemälde, glaube ich, ausgesprochen faszinierend finden – sofern Sie noch immer einen Blick für den katholischen Geist haben, in welcher Form er sich auch zeigen mag.« Er atmete aus, und eine zitternde Rauchwolke verbarg seine Gesichtszüge.
    »Noch immer?«
    »Ihre Schwester hat einmal erwähnt, daß Sie eine Zeitlang Jesuit gewesen sind. Und dann«, er zuckte die Achseln, »haben Sie es sich anders überlegt.«
    »Wie feinfühlig Sie das formulieren.«
    »Ah. Ich muß gestehen, sie hat es etwas drastischer ausgedrückt. Ihre Schwester hat – hatte – eine sehr große Palette an Ausdrucksmöglichkeiten.«
    »Ich würde wetten, daß sie es anders ausgedrückt hat.«
    »Sagen Sie, warum haben Sie den Orden verlassen?«
    »Wegen einer Frau.«
    »War sie es Ihrer Meinung nach wert?«
    »Steht das nicht in meinem Dossier?«
    »Aber, aber. Was soll das heißen? Es gibt kein Dossier …«
    »Schon gut. Nicht wichtig. Ist mir nur so rausgerutscht.«
    »Und? War diese Frau es wert?«
    »Wer weiß? Vielleicht werde ich eines Tages die Antwort darauf finden.«
    »Irre ich mich, oder habe ich da eine Unterton der Reue gehört?«
    »Ich glaube eher, Sie haben mich völlig mißverstanden, Monsignore. Ich habe den Orden wegen der heiligen Jungfrau verlassen. Ich konnte an sie und an all das andere Brimborium nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher