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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.‹«
    »Exakt«, sagte Sandanato. »Zum erstenmal in der Geschichte hatte der Nachfolger Petri weltliche Macht. Doch Silvester, und mit ihm seine Kirche, ließen sich von dieser Macht verleiten. Mehr als je zuvor wurden wir in den darauffolgenden Jahrhunderten zum Opfer von Gewalt, und so sollte es fortan bleiben.
    Es war der Preis, den die Kirche für die von Konstantin errungene Bedeutung zahlen mußte«, fuhr Sandanato fort. »Wir hatten uns weltliche Macht angeeignet, also mußten wir auch den weltlichen Preis dafür bezahlen. Mit der Macht kamen die Machtgierigen, die Herausforderer, diejenigen, die uns unserer militärischen Bündnisse und der immensen Reichtümer beraubten, welche uns zur Verfügung standen. Unsere Geschichte ist die Geschichte der Drohungen, die gegen uns erhoben wurden, der Kompromisse, die wir eingehen mußten. Aber bis jetzt, Mister Driskill, haben wir immer gewußt, wer unsere Feinde waren. Selbst dann, wenn die Herausforderungen dramatische Formen annahmen. Sie werden sich aus Ihrer Kenntnis der Geschichte gewiß an den schrecklich heißen August des Jahres 1870 erinnern …«
    Wie es der Zufall wollte, konnte ich mich tatsächlich erinnern, jedenfalls in dem Maße, wie es von einem Seminaristen erwartet worden war. Damals wandte die weltliche Macht sich endgültig gegen die Kirche. Doch was in diesem langen, qualvollen Sommer vor über hundert Jahren deutlich wurde, hatte in Wahrheit schon im Jahre 1823 begonnen und sich über dreiundzwanzig Jahre hinweg erstreckt, während der Pontifikate Leos XII., Pius’ VIII. und Gregors XVI.: dreiundzwanzig Jahre päpstlicher Tyrannei und Diktatur in der Stadt Rom und im Kirchenstaat, in dem diese Papst-Könige regierten. Annähernd eine Viertelmillion Menschen wurden hingerichtet, zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt oder wegen politischer Vergehen ins Exil verbannt – mit anderen Worten: weil sie den Unwillen der Kirche auf sich gezogen hatten. Bücher wurden zensiert, Versammlungsverbote erteilt, Reisebeschränkungen auferlegt, und kirchliche Tribunale verhängten schwerste Strafen über die Angeklagten. Die Verhandlungen wurden ausschließlich in lateinischer Sprache geführt; aus diesem Grunde verstand kaum ein Angeklagter, welches Verbrechens er überhaupt beschuldigt wurde. Unter diesen Päpsten erloschen Justiz und Recht, wurden durch Willkürakte verdrängt; die Wiedereinsetzung der Inquisition mit ihren unmenschlichen Folterungen unter Leo XII. ist nur ein Beispiel. Die Päpste entfremdeten sich den Menschen, denen sie doch als Stellvertreter Christi galten, immer mehr. Auf jedem öffentlichen Platz wurde ein Galgen als ständige Drohung errichtet, und der Henker stand stets bereit, diejenigen zu hängen, die mit der Kirche in Konflikt geraten waren.
    Es bildeten sich Geheimbünde, die rasch an Zulauf gewannen. Attentate und Aufstände waren an der Tagesordnung. Doch immer wieder wurden – wie das Beispiel Bolognas drastisch belegt -Rebellionen brutal niedergeschlagen, und zwar mit Hilfe ausländischer Truppen. Doch schließlich spülte der Strom der Geschichte diese Terrorherrschaft hinweg, und im Jahre 1843 eroberten die Bürger Roms – in den Augen der Kirche der Pöbel -die Stadt.
    1846 wurde Pius IX. zum Papst gewählt, und es war eine verzweifelte Welt, die dieser christliche Oberhirte erbte, jedenfalls aus seiner Sicht: Garibaldi und Mazzini rasselten mit den Säbeln, marschierten schließlich gegen Rom, und schon 1848 flüchtete Pius heimlich aus der Stadt; inkognito gelangte er bis Gaeta ins Königreich beider Sizilien, derweil in Rom die Republik ausgerufen und symbolisch vom Papst befreit wurde; hohe Geistliche wurden ermordet, Kirchen geplündert. Erst 1850 konnte Pius nach Rom zurückkehren, als die französische Armee die Stadt eroberte, Mazzini in die Schweiz flüchtete und Garibaldi sich in die Berge zurückzog. Pius IX. saß wieder auf dem Papstthron, gewiß, aber durch die Hilfe und getragen von einer fremden Macht.
    Als Pius sein Amt angetreten hatte, war er noch von einer Woge der Beliebtheit getragen worden, und er hatte die Sympathien erwidert, indem er den Menschen gab, was sie forderten: Er schloß die Jesuiten aus der Gemeinschaft der Gläubigen aus, erlaubte die Veröffentlichung einer allgemeinen, unabhängigen Zeitung, ließ das Armenviertel abreißen und den Kirchenstaat an das wachsende Eisenbahnnetz

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