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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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andere Tasse aus dem Schrank.«
    »Ich nehme an, für Sie war es damals eine ganz alltägliche Geschichte.«
    »Naja, über die Jahre hinweg hat man sehr, sehr viele Schüler.«
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie meinen Vater so gut kennen.«
    »Ihren Vater und Ihre Mutter. Ja, wir waren schon immer befreundet. Als ihr Vater den Infarkt erlitten und man ihn hierher gebracht hat, war ich gerade bei Mrs. Francis zu Besuch – die Nachricht war ein furchtbarer Schock. Ihr Vater … wissen Sie, man kann einfach nicht glauben, daß Männern wie Hugh Driskill so etwas zustößt. Man hält sie irgendwie für unzerstörbar.« Sie suchte meinen Blick, wandte sich dann an Elizabeth. »Es gibt solche Männer. Männer, bei denen man den Eindruck hat, daß ihnen das Sterblichkeitsgen fehlt … aber natürlich sitzen wir alle im gleichen Boot, wenn es erst mal soweit ist, nicht wahr?« Sie seufzte lächelnd. »Es ist schön, Sie zu sehen, Ben. Und ich möchte Ihnen mein tiefstes Beileid aussprechen. Schwester Valentine, sie war ein so liebes Kind. Aber wenigstens scheint Ihr Vater auf dem Weg der Besserung zu sein. Ich werde Sie, euch alle, in meine Gebete einschließen.«
    Schwester Elizabeth zog mich am Jackenärmel, als wir allein waren. Ich wandte mich um und sah, daß sie mich schüchtern anlächelte.
    »Val hat mich auch immer am Ärmel gezupft«, sagte ich.
    »Entschuldigung«, erwiderte sie und ließ den Ärmel los.
    »Nein, nein«, sagte ich. »So war das nicht gemeint. Es hat mir gefallen. Es war … schön.«
    »Werden Sie sich von nun an benehmen?« Ihre Stimme war ganz sanft.
    »Warum sollte ich jetzt damit anfangen?« fragte ich. »Dazu ist es viel zu spät.«
    Wir saßen schon im Wagen, als mir ein Gedanke durch den Kopf ging »Schwester Mary Angelina«, sagte ich. »Ob sie wohl Father Governeau gekannt hat? Falls sie damals schon hier in der Gegend
    gelebt hat, und falls er tatsächlich weiblicher Gesellschaft zugetan war, hat sie ihn vielleicht gekannt. Oder ist das zu weit hergeholt?«
    »Das frage ich mich auch«, sagte sie.
    Sie ließ mich nicht schlafen. Sie brannte ein Loch in die Nacht um mich herum, in die Dunkelheit, verscheuchte den bloßen Gedanken an Ruhe, Schlaf, Entspannung. Ich schloß die Augen, und da war sie, ihr Gesicht, beinahe so, als käme sie in einem Traum zu mir, in mein Inneres. Aber es war kein Traum. Ich war hellwach, und Val wollte genau das.
    Es schien, als würde sie mir das Tageslicht zugestehen, damit der Schock über ihren Tod verblassen konnte. Doch in den Nächten kam sie zu mir und stellte Forderungen. Genug getrauert, schien sie mir zuzurufen. Nun, großer Bruder, was wirst du jetzt unternehmen? Irgendein dreckiger Bastard hat mir das Hirn aus dem Schädel gepustet. Und was gedenkst du zu tun? In meiner Vorstellung forderte sie mich heraus. Sie meinte es ernst: Sie wollte eine Antwort. Ich habe meinen Teil getan, sagte sie mir, ich bin die Risiken eingegangen, ich bin ermordet worden, weil ich jemandem Angst eingejagt habe, und habe dir genug Hinweise hinterlassen, um einen ganzen Kriminalroman zu füllen. Ich habe das Geheimnis um Father Governeau entdeckt, und ich habe das Bild in der Trommel verborgen, für dich … und jetzt um Himmels willen, nimm den Ball auf und spiele das Spiel weiter … O Ben, mein großer Bruder, warum kann ich es dir nicht begreiflich machen, du bist ein solcher Dummkopf … Sei mutig, Ben, für mich, und kämpfe meinen Kampf weiter!
    Gegen Mitternacht – das Haus lag in tiefem Schlaf – hatte ich so ziemlich genug von meiner toten Schwester. Sogar ihr Geist war lautstark. Ich hätte es wissen müssen. Im Tod war sie so lebendig wie eh und je, beharrlich, entschlossen.
    Ich schwang mich aus dem Bett und streifte den Morgenmantel über. Sie ließ mich einfach nicht in Ruhe; auch als ich Selbstgespräche führte, unterbrach sie mich. Morgen begräbst du mich, Ben, du begräbst mich … und dann werde ich wirklich fort sein, verschwunden, verschwunden, für immer und ewig …
    »Das ist nicht wahr«, murmelte ich. »Ich werde niemals frei von dir sein, kleine Schwester, und das wissen wir beide, und wir möchten es auch gar nicht anders.« Ich konnte hören, wie sie mich einen Dummkopf nannte; dann verhallte ihre Stimme allmählich.
    Ich brauchte einen Brandy. Vielleicht würde der mir helfen, Schlaf zu finden oder Val einschlafen zu lassen, falls sie – als Geistwesen – eine Projektion meiner eigenen Psyche war. Ich ging die Treppe hinunter und

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