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Assassino

Assassino

Titel: Assassino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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sieben verschiedene Namen haben?« Er nahm einen Schluck vom
Raki,
dem türkischen Anisschnaps, den der Kellner zur Begleitung des Fisches auf den Tisch gestellt hatte. Kati und Chris begnügten sich mit dem Wasser.
    »Ein Volk, das seine Nahrung aus dem Meer offenbar liebt«, brummte Chris mit vollem Mund.
    »Wie man schmeckt.« Seamus wischte sich den Mund mit einer großen Stoffserviette ab.
    Selbst Kati, für die Essen meistens nur eine Notwendigkeit war, genoss das Mahl. Immer wieder schweifte ihr Blick dabei zum Mädchenturm. Er erinnerte sie an Ilyas, so wie er da einsam aus den Wellen aufragte. Was der wohl in diesem Augenblick machte? Wohin führte ihn seine Stadterkundung wohl, und wie kam er mit den vielen Dingen, die er nicht kannte, zurecht? Sie wusste, wie lernfähig er war, machte sich aber dennoch ein wenig Sorgen. In den paar Tagen seit ihrer ersten Begegnung war er ihr nähergekommen als irgendein Mensch zuvor.
    Auch den nachfolgenden Spaziergang am Ufer entlang zurück zur Fähre genoss Kati mit jeder Faser ihres Körpers.
    An die Arbeit konnte sie auch morgen noch denken.

Begegnung im Basar
    Mustafa hatte Ilyas in aller Frühe abgeholt, um ihn über die Galatabrücke nach Eminönü zu bringen. Der Fahrer war eine Frohnatur, aber dieser junge Mann war ihm von Anfang an nicht geheuer gewesen. Ilyas saß auf der Rückbank, und Mustafa warf ihm ab und an einen besorgten Blick im Rückspiegel zu, so, als wolle er sich davon überzeugen, dass sich sein Fahrgast nicht plötzlich in einen Ghul verwandelt hatte.
    Ilyas war das Schweigen des Fahrers nur recht. Es fiel ihm noch immer schwer, in diesen geschlossenen Metallkästen zu reisen, ob sie nun auf dem Erdboden fuhren oder durch die Lüfte schwebten. Dazu kam die laute Musik, für die Mustafa eine Vorliebe hatte. Sie schien von allen Seiten auf ihn einzuströmen, und die elektronischen Rhythmen gruben sich so tief in sein Gehirn ein, dass er kaum noch an etwas anderes denken konnte.
    Mustafa ließ ihn am Eingang des Großen Basars aus dem Auto. »Wann soll ich dich abholen?«, fragte er durch das herabgekurbelte Wagenfenster.
    »Wenn der Schatten deines Fahrzeugs viermal so lang ist wie jetzt«, erwiderte Ilyas nach kurzem Nachdenken.
    Mustafa verzog das Gesicht. »Kannst du mir keine Uhrzeit nennen?« Und als Ilyas nicht reagierte, hob er sein linkesHandgelenk und pochte mit dem Zeigefinger der Rechten demonstrativ auf das Glas seiner Armbanduhr.
    Ilyas griff in die Hosentasche und zog ebenfalls eine Armbanduhr hervor. Mit zusammengekniffenen Augen studierte er das Zifferblatt. Kati hatte ihm zwar erklärt, wie die Zeitmessung damit funktionierte, aber er hatte Probleme, den Rundlauf der Zeiger mit der wirklichen Zeit in Verbindung zu setzen.
    »Ihr seid Sklaven eurer Uhren«, hatte er zu Kati gesagt, als sie ihm sein Exemplar überreicht hatte. »Ihr tragt sie nicht nur wie eine Fessel am Handgelenk, ihr lasst euch auch davon euer Leben diktieren.«
    »Da ist wohl was dran«, hatte sie ihm zugestimmt. »Aber ohne Uhr kommt man in dieser Welt nicht zurecht. Betrachte sie einfach als ein Hilfsmittel, mit dem wir uns Arbeit ersparen können. Du musst sie ja nur benutzen, wenn es um eine Verabredung geht.«
    Sie hatte ihm die Uhr ums Handgelenk gebunden, und die leichte Berührung ihrer Finger mit seiner Haut hatte einen angenehmen Schauer durch seinen Körper fahren lassen. Allerdings hatte er das Band schon nach mehreren Minuten wieder gelöst und die Uhr in die Hosentasche gesteckt. An seinem Arm fühlte sie sich für ihn doch zu sehr wie eine wirkliche Fessel an.
    »Sechs Uhr«, rief er Mustafa zu.
    »Alles klar, um sechs Uhr hier«, bestätigte der Fahrer, fuhr die Scheibe hoch und legte den Gang ein. Kaum war Mustafas Fahrzeug im Verkehrsgewühl verschwunden, wandte sich Ilyas vom Basar weg und tauchte in die Stadt ein wie einFisch in das lange vermisste Wasser. Stundenlang streifte er durch einzelne Viertel und sog die Atmosphäre in sich auf. Zum ersten Mal in den letzten drei Tagen hatte er das Gefühl, richtig zu leben und zu atmen.
    Die Gerüche, die Stimmen und die Farben riefen Erinnerungen in ihm wach. Vieles von dem, was er sah, war ihm bekannt, ohne dass er sich konkret daran erinnern konnte. Die Sprache der Menschen war ihm vertraut und er verstand manche Worte und konnte sich auch selbst gut verständlich machen. Er musste eine ähnliche Sprache also einmal beherrscht haben, ob als seine Muttersprache oder gelernt.
    Trotz dieses

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