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Assassino

Assassino

Titel: Assassino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Spiegel erkennen«, unterbrach ihn Ilyas. »Ich brauche noch eine Weste.«
    »Selbstverständlich, sofort.« Der Verkäufer verschwand im Dunkel seines Ladens. Ilyas schaute ihm hinterher. Dabei fiel sein Blick auf den Spiegel. Er stutzte kurz, dann trat er davor und drehte sich mal zur einen Seite, dann zur anderen. Dabei achtete er allerdings nicht auf das neue Hemd, sondern auf den Mann, der auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse vor einem Topfhändler stand und ihn beobachtete.
    Der Fremde war schlank und schwarzhaarig, unauffällig gekleidet und tat so, als betrachte er die große Auswahl an Töpfen, Pfannen und Kannen vor sich. Aber Ilyas war der scharfe Blick nicht entgangen, mit dem ihn der Fremde immer wieder kurz musterte.
    Der Verkäufer kam mit einer dunkelroten bestickten Weste heran und hielt sie Ilyas hin, der mit einer geschmeidigen Bewegung hineinschlüpfte und sich damit vor dem Spiegel drehte. Der Händler nahm das mit Freude zur Kenntnis.
    »Sehen Sie, mein Herr, so ein Spiegel ist doch etwas Praktisches. Nicht jeder Händler in dieser Straße bietet Ihnen einen solchen Service. Und, wenn ich das sagen darf, diese Weste steht Ihnen vortrefflich.«
    Ilyas brummte etwas Unverständliches vor sich hin, während er den Mann gegenüber im Auge behielt. Er war sich jetzt sicher, dass der es auf ihn abgesehen hatte. Er drehte sich zu dem Händler um.
    »Ich nehme die Sachen.«
    Die Augen des Verkäufers leuchteten. »Es kostet Sie nur hundert Lira, mein Herr.«
    Ilyas strich mit der Hand über den Stoff der Weste. Seine Augen zogen sich zusammen. »Du Sohn eines hinkenden Dromedars willst mich bestehlen? Diese Fetzen sind nicht einmal die Hälfte wert!«
    Ilyas wunderte sich über das, was er soeben gesagt hatte. Es war ihm ganz selbstverständlich entfahren, so als habe er schon häufiger solche Verhandlungen geführt.
    »Sie tun mir unrecht, Herr«, jammerte der Verkäufer. »Dies ist allerbeste Ware, handgewebt, in den besten Schneidereien des Landes. Wenn ich Ihnen einen Nachlass gewähre, verdiene ich selbst nichts mehr daran.«
    »Und das soll ich dir glauben, du Bruder einer Sumpfkröte? Ich gebe dir dreißig Lira dafür. Sonst gehe ich zu deinem Nachbarn, der meinen Besuch schon mit freudigem Blick erwartet. Er wird mir bestimmt einen besseren Preis machen.«
    »Aber seine Ware ist nichts als Ramsch aus Bangladesch, mein Herr. Sie werden damit nicht zufrieden sein.« Der Händler tat so, als rechne er angestrengt nach. »Nun gut, ich kann Ihnen die Sachen für achtzig Lira überlassen. Dann verdiene ich keinen Kuru ş daran.«
    »Achtzig Lira? Du bist ein Straßenräuber! Aber ich will heute großzügig sein und biete dir vierzig Lira.«
    »Wie soll ich davon meine Frau und meine Kinder ernähren?«, klagte der Verkäufer. »Das zahle ich alleine als Einkaufspreis für diese hochwertige Weste. Siebzig Lira, das ist mein letztes Wort.«
    »Deine Frau und deine Kinder sind es wahrscheinlich, die diese Lumpen aus den billigsten Stoffen zusammennähen, während du dir mit deinen Gewinnen ein fürstliches Leben machst! Fünfzig Lira und keinen Kuru ş mehr!«
    Eine kleine Gruppe von Schaulustigen hatte sich um die beiden Feilschenden versammelt und folgte den Verhandlungen mit großem Interesse. Ilyas bemerkte, dass auch der Mann aus dem Topfgeschäft die Gelegenheit genutzt hatte, um näher heranzukommen. Seine Muskeln spannten sich unwillkürlich an, und er ließ die rechte Hand unauffällig sinken, um leichter an sein Messer gelangen zu können.
    »Sie sind nicht von hier, junger Mann, das höre ich«, lamentierte der Verkäufer. »Sie wissen nicht, wie hart das Leben in dieser Stadt ist. Sechzig Lira, ich flehe Sie an! Alles andere würde mich in den Ruin treiben!«
    »Also gut, sechzig Lira.« Ilyas griff in die Hosentasche und zog ein Bündel Geldnoten hervor. Er fand es seltsam, dass man in dieser Welt mit Papier bezahlen konnte. Und dass ein Stück Papier manchmal mehr Wert war als solide Münzen mit Gold darin. Zudem waren die Scheine fast gleich groß und sahen sich sehr ähnlich. Kati hatte ihm gezeigt, worauf es ankam. Entscheidend war die Zahl, die unten und oben in den Ecken stand.
    Noch verwirrender wurde es, als sie eine Handvoll Münzen auf den Tisch gelegt hatte. Sie waren aus minderwertigen Metallen gefertigt und gering von Gewicht und waren weniger wert als das kleinste Papier. Wenn er in einem Kaffeehaus mit dem kleinsten Geldpapier bezahlte, dann gab man ihm solche Münzen

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