Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
voreilig.
„Gut“, meinte Connor. „Ich möchte diese Vorräte so schnell wie möglich zurückbringen.“
„Natürlich. Daran möchte ich dich keinesfalls hindern. Dann komm, folge mir.“
Wir stiegen zu den Dächern hinauf, und wenig später schweifte unser Blick über die Skyline von New York. Die Aussicht erfüllte uns in ihrer kriegsgeschundenen, abgerissenen Herrlichkeit mit Ehrfurcht.
„Ich möchte Euch eine Frage stellen, Vater“, sagte Connor nach einer Weile. „Ihr hättet mich töten können, als wir uns zum ersten Mal begegneten – was hinderte Euch daran?“
Ich hätte dich schon am Galgen sterben lassen können , dachte ich. Ich hätte dich von Thomas im Gefängnis töten lassen können. Was hinderte mich auch bei diesen Gelegenheiten daran? Wie lautete die Antwort? Wurde ich alt? Sentimental? Vielleicht war es Sehnsucht nach einem Leben, das ich nie wirklich hatte.
Keinen dieser Gedanken wollte ich jedoch mit Connor teilen, und schließlich tat ich seine Frage kurzerhand ab: „Neugier. Sonst noch Fragen?“
„Wonach trachten die Templer?“
„Ordnung“, sagte ich. „Zwecksetzung. Führung und Richtung. Weiter nichts. Dein Orden ist es, der mit seinem unsinnigen Gerede von Freiheit nur Unruhe und Verwirrung stiftet. Früher einmal verfolgten die Assassinen ein vernünftigeres Ziel: Frieden.“
„Freiheit ist Frieden“, behauptete er im Brustton der Überzeugung.
„Nein. Freiheit öffnet dem Chaos Tür und Tor. Sieh dir doch nur diese kleine Revolution an, die deine Freunde angezettelt haben. Ich stand vor dem Kontinental-Kongress. Ich hörte sie stampfen und schreien. Alles im Namen der Freiheit. Aber es ist nichts als Lärm.“
„Und darum gebt Ihr Charles Lee den Vorzug?“
„Er versteht mehr von den Bedürfnissen dieser Möchtegern-Nation als diese Dummköpfe, die vorgeben, sie zu repräsentieren.“
„Mir scheint, aus Euch spricht die Missgunst“, sagte Connor. „Das Volk hat seine Wahl getroffen – und sie fiel auf Washington.“
Da war es wieder. Ich beneidete ihn fast um seine uneingeschränkte Sicht auf die Welt. Seine Welt war frei von Zweifeln, wie es schien. Wenn er schließlich die Wahrheit über Washington erfuhr – was, wenn mein Plan aufging, bald der Fall sein würde –, würde seine Welt einstürzen, und nicht nur seine Welt, sondern seine ganze Welt anschauung . Mochte ich ihn jetzt auch um seine Gewissheit beneiden, darum beneidete ich ihn nicht.
„Das Volk hat nichts gewählt.“ Ich seufzte. „Die Wahl wurde getroffen von einer Gruppe privilegierter Feiglinge, die nichts anderes wollten, als sich selbst zu bereichern. Sie hockten unter sich beisammen und trafen eine Entscheidung, die ihnen zum Vorteil gereichte. Sie mögen diese Entscheidung mit feinen Worten geschönt haben, aber das ändert nichts an ihrem Kern. Der einzige Unterschied, Connor, der einzige Unterschied zwischen mir und jenen, die du unterstützt, besteht darin, dass ich keine Gunst und Zuwendung vortäusche.“
Er sah mich an. Es war noch nicht lange her, da hatte ich mir gesagt, dass meine Worte nie eine Wirkung auf ihn haben würden, und nun versuchte ich es trotzdem. Und vielleicht irrte ich mich ja – vielleicht drang doch zu ihm durch, was ich ihm sagen wollte.
II
Als wir bei der Brauerei anlangten, stellte sich heraus, dass wir eine Verkleidung für Connor brauchten: Sein Assassinen-Ornat weckte doch ein bisschen zu viel Argwohn. Sich eine Verkleidung zu beschaffen, gab ihm eine weitere Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen, und abermals geizte ich mit meinem Lob. Als wir beide passend gekleidet waren, näherten wir uns dem Brauereigelände. Die roten Ziegelmauern ragten vor uns in die Höhe, die dunklen Fenster starrten wie mit düsterem Blick auf uns herab. Durch das Tor hindurch konnte ich Fässer und Karren sehen, wie sie zu einer Brauerei gehörten, sowie Männer, die dazwischen umherliefen. Benjamin hatte die meisten Templer durch eigene Söldner ersetzt.
Damit wiederholt sich die Geschichte , dachte ich, denn meine Gedanken wanderten zurück zu Edward Braddock. Ich hoffte nur, dass Benjamin nicht so schwer zu töten sein würde wie Braddock. Irgendwie bezweifelte ich das. Ich hatte inzwischen wenig Zutrauen in das Kaliber meines Feindes.
Genau genommen hielt sich mein Zutrauen mittlerweile generell in Grenzen.
„Stehen bleiben!“ Ein Wächter trat aus dem Schatten. Nebel wirbelte knöchelhoch um seine Füße. „Ihr befindet Euch auf
Weitere Kostenlose Bücher