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Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bowden
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Auf Zehenspitzen schlich ich an den Zwingern vorbei zu einer Seitenmauer und durch ein großes Bogentor, das in den Obstgarten führte. Ich ging zwischen den kahlen, spinnenhaft wirkenden Apfelbäumen hindurch, dann stand ich ohne Deckung da, die Villa zu meiner Rechten, wo ich mir hinter jedem Fenster Gesichter vorstellte: Edith, Betty, Mutter und Vater schauten heraus und sahen mich, der ich mein Zimmer verlassen hatte und auf dem Grundstück Amok lief. Natürlich lief ich nicht wirklich Amok, aber das würden sie sagen – das würde Edith sagen, wenn sie mich schalt, und das würde Vater sagen, wenn er mich mit dem Stock bestrafte.
    Doch der mahnende Ruf vom Haus, den ich eigentlich jede Sekunde erwartete, kam nicht. So machte ich mich stattdessen auf zur Außenmauer und lief rasch daran entlang bis zu der Tür. Ich fröstelte immer noch, und während meine Aufregung wuchs, fragte ich mich, ob Tom wohl etwas zu essen für einen mitternächtlichen Festschmaus mitgebracht hatte: Schinken, Kuchen und Plätzchen. Oh, und ein heißer Punsch wäre mir auch höchst willkommen gewesen …
    Ein Hund begann zu bellen. Thatch, Vaters irischer Bluthund, schlug in seinem Zwinger auf dem Stallhof an. Der Lärm ließ mich auf der Stelle stehen bleiben. Ich duckte mich unter die blattlosen, tief hängenden Zweige einer Weide, bis das Bellen so abrupt verstummte, wie es begonnen hatte. Später würde mir klar werden, wie es so plötzlich dazu gekommen war. In diesem Moment zerbrach ich mir darüber allerdings nicht den Kopf, weil ich keinen Grund zu der Annahme hatte, dass ein Eindringling Thatch die Kehle durchgeschnitten haben könnte. Heute gehen wir davon aus, dass es insgesamt fünf waren, die uns mit Messern und Schwertern überfallen haben. Fünf Männer, die sich an die Villa heranschlichen, während ich mich draußen auf dem Grundstück herumtrieb, für jedermann zu sehen.
    Aber woher sollte ich das wissen? Ich war ein dummer Junge, dem der Kopf von Abenteuern und Heldentaten schwirrte, ganz zu schweigen von dem Gedanken an Schinken und Kuchen, und so lief ich weiter an der Außenmauer entlang, bis ich die Tür erreichte.
    Die offen stand.
    Was hatte ich erwartet? Vermutlich, dass die Tür geschlossen war und Tom sich auf der anderen Seite befand. Vielleicht wäre einer von uns über die Mauer geklettert. Vielleicht hätten wir uns durch die geschlossene Tür hindurch unterhalten. Aber die Tür war offen, und mich beschlich allmählich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Und endlich kam mir auch der Gedanke, dass das Signal, das ich vom Fenster meines Zimmers aus gesehen hatte, vielleicht doch nicht für mich bestimmt gewesen war.
    „Tom?“, flüsterte ich.
    Es war kein Laut zu hören. Die Nacht war vollkommen still: keine Vögel, keine anderen Tiere, nichts. Nun doch nervös geworden, wollte ich kehrtmachen und zum Haus zurück, in die Sicherheit meines warmen Bettes – als ich etwas sah. Einen Fuß. Ich schob mich weiter durch die Tür, wo der Durchgang in bleiches Mondlicht gebadet war, das allem einen weichen, blassen Glanz verlieh – auch der Haut des Jungen, der mit von sich gestreckten Gliedern auf dem Boden lag.
    Eigentlich lag er nicht richtig da, er saß halb an die Mauer gelehnt und war fast genauso gekleidet wie ich, in Hose und Nachthemd, nur hatte er seines nicht in den Bund gesteckt, und es hatte sich nun um seine Beine gewickelt, die in einem seltsamen, unnatürlichen Winkel auf dem getrockneten, furchigen Schlamm des Weges lagen.
    Es war Tom. Natürlich. Tom, dessen tote Augen mich blicklos unter der Krempe seines Hutes hervor anstarrten, der schief auf seinem Kopf saß. Tom, dessen Blut, das ihm aus dem Schnitt in der Kehle über Brust und Bauch gelaufen war, im Mondlicht schimmerte.
    Meine Zähne fingen an zu klappern. Ich hörte ein Wimmern und erkannte erst dann, dass ich selbst es ausgestoßen hatte. Hundert panische Gedanken fuhren mir durch den Kopf.
    Und dann geschah alles so schnell, dass ich mich an die exakte Reihenfolge der Ereignisse gar nicht erinnern kann. Ich glaube aber, es begann mit dem Geräusch von brechendem Glas und einem Schrei, der aus dem Haus kam.
    Lauf.
    Ich schäme mich, es zuzugeben, aber all die Gedanken, die sich in diesem Moment in meinem Kopf überschlugen, schrien gemeinsam dieses eine Wort.
    Lauf.
    Und ich gehorchte. Ich lief. Nur nicht in die Richtung, die sie verlangten. Handelte ich so, wie mein Vater es mich gelehrt hatte? Hörte ich auf meine Instinkte,

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