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Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bowden
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sie nicht mehr der Mensch, an den Ihr Euch erinnert.“
    „Umso mehr braucht sie mich.“
    „Vielleicht braucht sie einfach nur Zeit, um zu genesen, Haytham – mit möglichst wenigen Dingen in ihrer Nähe, die sie an jene furchtbare Nacht erinnern.“
    „Ich verstehe, Sir“, sagte ich.
    „Es tut mir leid, wenn Euch das schockiert, Haytham.“ Er runzelte die Stirn. „Und ich kann mich natürlich auch irren, aber ich kümmere mich seit dem Tod Eures Vaters um seine geschäftlichen Angelegenheiten, und wir haben für die Pflege Eurer Mutter Sorge getragen. Ich hatte Gelegenheit, sie selbst zu sehen, und daher glaube ich nicht, dass ich mich irre. Diesmal nicht.“
    III
    Mutter ließ mich kurz vor der Beisetzung zu sich rufen.
    Als Betty, die gar nicht aufhören wollte, sich dafür zu entschuldigen, „verschlafen“ zu haben, mich holte, war mein erster Gedanke, dass sie ihre Meinung geändert haben könnte und nun doch nicht wollte, dass ich mit Mr Birch nach Europa ging, aber ich irrte mich. Ich lief zu ihrem Zimmer, klopfte an und hörte kaum, wie sie mich hineinbat. Ihre Stimme war schwach und dünn, ganz und gar nicht so wie früher, als sie zwar sanft, aber souverän geklungen hatte. Sie saß am Fenster, und Miss Davy zupfte an den Vorhängen. Obwohl der Tag längst begonnen hatte, war es draußen kaum heller geworden, trotzdem wedelte Mutter mit der Hand, als wolle sie einen Vogel verscheuchen, der sie rasend machte, und nicht nur ein paar Strahlen der grauen Wintersonne. Schließlich hatte Miss Davy die Vorhänge zu Mutters Zufriedenheit gerichtet, und sie bedeutete mir mit einem matten Lächeln, mich zu setzen.
    Mutter wandte ihren Kopf zu mir, ganz langsam, sah mich an und rang sich ein Lächeln ab. Der Überfall hatte einen schrecklichen Tribut von ihr gefordert. Es war, als sei ihr sämtliches Leben ausgesaugt worden, als hätte sie das Licht verloren, das ihr stets eigen war, ob sie nun lächelte oder verärgert war oder, wie Vater immer sagte, ihr Herz auf der Zunge trug. Jetzt glitt das Lächeln langsam von ihren Lippen. Stattdessen wurden sie wieder schlaff und ausdruckslos, als habe sie versucht, besitze aber nicht länger die Kraft, den Schein zu wahren.
    „Du weißt, dass ich nicht zur Beerdigung gehe, Haytham?“, fragte sie mit schleppender Stimme.
    „Ja, Mutter.“
    „Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid, Haytham, aber ich bin einfach nicht stark genug dafür.“
    Normalerweise nannte sie mich nie Haytham. Sie nannte mich immer nur „Liebling“.
    „Ja, Mutter“, sagte ich, obgleich ich wusste, dass es nicht stimmte – sie war durchaus stark genug. „Deine Mutter hat mehr Schneid als jeder Mann, der mir je begegnet ist, Haytham“, hatte Vater zu sagen gepflegt.
    Sie hatten sich kennengelernt, kurz nachdem sie beide nach London gezogen waren, und sie hatte ihm nachgestellt. „Wie eine Löwin, die ihre Beute jagt“, hatte Vater gescherzt. „Ein Anblick, gleichermaßen grauenerregend wie Ehrfurcht gebietend.“ Das hatte ihm einen finsteren Blick eingetragen, obwohl es sich um einen Scherz jener Sorte gehandelt hatte, in denen ein Körnchen Wahrheit stecken mochte.
    Sie sprach nicht gern über ihre Familie. Sie sei „gut situiert“, das war alles, was ich wusste. Jenny hatte einmal angedeutet, die Familie wolle wegen Vater nichts mehr mit Mutter zu tun haben. Warum das so war, hatte ich natürlich nie herausgefunden. Wenn ich, was ich selten tat, Mutter mit Fragen nach Vaters Leben in der Zeit vor London löcherte, hatte sie immer nur geheimnisvoll gelächelt. Er werde mir schon noch davon erzählen, wenn er so weit sei. Als ich nun in ihrem Zimmer saß, wurde mir bewusst, dass zumindest ein Teil meiner Trauer daher rührte, dass ich nun nie erfahren würde, was Vater mir an meinem Geburtstag hatte sagen wollen. Aber ich möchte unterstreichen, dass dies wirklich nur einen winzig kleinen Teil meiner Trauer ausmachte – unbedeutend im Vergleich zu dem Schmerz über den Verlust von Vater und dem Anblick, den meine Mutter nun bot. Sie schien mir so … klein geworden zu sein. Ihr fehlte der Schneid, von dem Vater gesprochen hatte.
    Vielleicht hatte sich nun erwiesen, dass er die Quelle ihrer Stärke gewesen war. Vielleicht war das Blutvergießen in jener schrecklichen Nacht einfach mehr gewesen, als sie verkraften konnte. Es heißt, Soldaten könne es so ergehen. Sie bekämen ein sogenanntes Soldatenherz und werden zu Schatten ihrer selbst. Das Töten und der Tod verändern

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