Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
worden. Er holte den Fliehenden ein. Ein weiterer Wächter eilte hinzu, und gemeinsam schlugen und traten sie auf den Verrückten ein, bis sie ihn überwältigt hatten und er auf dem Pflaster kniete.
Altaïr verfolgte die Szene. Er spürte, wie sich seine Kiefermuskeln spannten und seine Fäuste ballten, als die beiden Wachen auf den Mann eindroschen. Andere Patienten traten vor, um einen besseren Blick auf das Schauspiel zu haben, auch wenn ihre Mienen nur vages Interesse verrieten und sie selbst leicht schwankend dastanden.
„Gnade“, heulte der Verrückte, während die Schläge auf ihn niederhagelten. „Ich bitte um Gnade. Hört auf … “
Er verstummte. Urplötzlich schien er allen Schmerz zu vergessen, als die Tür zum Hospital aufschwang und ein Mann heraustrat, der nur Garnier von Nablus sein konnte.
Er war kleiner, als Altaïr erwartet hatte. Er war bartlos, hatte kurz geschorenes weißes Haar und tief liegende Augen, und um seinen Mund, dessen Winkel nach unten wiesen, lag ein grausamer Zug, der ihm einen leichenhaften Ausdruck verlieh. Auf seinen Armen prangten die weißen Kreuze der Johanniter, um den Hals trug er ein Kruzifix. Aber ganz gleich, welchen Gott dieser Mann auch verehrte, er hatte ihn zweifellos verlassen, das konnte Altaïr sehen, denn Nablus trug auch eine Schürze – eine schmutzige, blutbefleckte Schürze.
Jetzt blickte er finster auf den Verrückten, der vor ihm lag und von den beiden Wachen festgehalten wurde. Der Wächter mit dem schlaffen Lid hob gerade die Faust, um ihm einen weiteren Hieb zu verpassen.
„Das reicht, mein Kind“, befahl Nablus. „Ich habe dich gebeten, den Patienten zurückzuholen, nicht, ihn umzubringen.“
Widerwillig ließ der Wächter die Faust sinken, während Nablus direkt vor den Verrückten hintrat, der stöhnend und wie ein scheues Tier zurückwich.
Nablus lächelte. Alle Härte war mit einem Mal aus seinem Gesicht verschwunden. „Na, na“, sagte er zu dem Mann, und es klang beinahe zärtlich. „Es wird alles gut. Gib mir deine Hand.“
Der Verrückte schüttelte den Kopf. „Nein … nein … Fasst mich nicht an. Fasst mich nicht mehr an … “
Nablus furchte die Stirn, als habe ihn die Reaktion des Mannes ein wenig verletzt. „Du musst deine Angst bezwingen, sonst kann ich dir nicht helfen“, sagte er ruhig.
„Mir helfen? Wie Ihr den anderen geholfen habt? Ihr habt ihnen die Seele genommen. Ich hab es gesehen! Aber nicht mit mir. Nein. Meine bekommt Ihr nicht. Niemals … Meine nicht, meine nicht, meine nicht … “
Jetzt war es vorbei mit der Behutsamkeit. Nablus gab dem Verrückten eine Ohrfeige. „Reiß dich zusammen“, knurrte er. Seine tief liegenden Augen funkelten, und der andere ließ den Kopf sinken. „Glaubst du, das macht mir Spaß? Glaubst du, ich will dir wehtun? Nein. Aber du lässt mir keine andere Wahl … “
Da riss sich der Verrückte auf einmal von den Wachen los und versuchte, in die wartende Menge zu fliehen. „Jedes freundliche Wort unterstreicht er mit dem Handrücken!“, kreischte er und lief dicht an Altaïr vorbei, die beiden Wachen schon auf den Fersen. „Alles Lug und Trug. Er wird erst zufrieden sein, wenn sich alle vor ihm beugen.“
Der erste Wächter erwischte ihn und zerrte ihn zurück zu Nablus. Der Mann wimmerte unter dem kalten Blick des Großmeisters.
„Das hättest du nicht tun sollen“, sagte Nablus langsam, dann wandte er sich an den Wächter. „Bringt ihn zurück in seine Unterkunft. Ich komme, sobald ich mich um die anderen gekümmert habe.“
„Ihr könnt mich hier nicht festhalten!“, rief der Verrückte. „Ich werde wieder fliehen.“
Nablus blieb stehen. „Nein, das wirst du nicht“, sagte er und befahl dem Wächter: „Brecht ihm die Beine.“
Der Wächter grinste. Der Verrückte versuchte, sich loszureißen. Dann war zweimal ein übelkeiterregendes Knacken zu hören wie von brechendem Holz, als der riesenhafte Ritter erst auf das eine Bein des Mannes und dann auf das andere stampfte. Der Verrückte schrie, und Altaïr ertappte sich dabei, wie er sich nach vorn beugte, zum Sprung bereit. Er konnte kaum noch an sich halten, diese böswillige Grausamkeit machte ihn wütend.
Dann verging der Moment, der Verletzte verlor das Bewusstsein – der Schmerz war zweifellos unerträglich – , und die beiden Wachen schleiften ihn weg. Nablus sah ihm nach. Das Mitgefühl war in seine Miene zurückgekehrt.
„Es tut mir so leid, mein Kind“, sagte er
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