Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
… Er drehte sich um und ging davon.
Altaïr ließ Tamir zwischen zwei Verkaufsständen zu Boden sinken, wo seine Leibwächter, die immer noch ahnungslos waren, ihn nicht sehen konnten.
„Ruhe in Frieden“, sagte Altaïr sanft.
„Dafür wirst du büßen, Assassine“, flüsterte Tamir mit rauer Stimme. Ein dünnes Blutrinnsal lief ihm aus der Nase. „Du und deine ganze Bande.“
„Mir scheint, dass du es bist, der jetzt büßt, mein Freund. Du wirst nicht länger vom Leid anderer profitieren.“
Tamir lachte leise, aber hart auf. „Du hältst mich für einen kleinen Händler des Todes, der sich an der Brust des Krieges labt? Ein merkwürdiges Opfer für einen Assassinen, findest du nicht? Warum gerade ich, wo so viele andere doch dasselbe tun?“
„Dann glaubst du also, du seist anders?“, fragte Altaïr.
„Oh, das bin ich, denn ich diene einem edleren Zweck als bloßem Profit. Genau wie meine Brüder … “
„Brüder?“
Tamir lachte abermals leise und schwach. „Ach, du glaubst, ich handele allein? Nein, ich bin nur ein Teil des Ganzen. Ein Mann, der eine Rolle zu erfüllen hat. Du wirst die anderen noch früh genug kennenlernen. Und sie werden nicht begeistert sein über das, was du getan hast.“
„Gut. Ich freue mich schon darauf, auch ihrem Leben ein Ende zu bereiten.“
„Was bist du doch von Stolz erfüllt. Er wird dich vernichten, Junge“, prophezeite Tamir. Und damit starb er.
„Wenn sich die Dinge ändern sollen, müssen Menschen sterben“, sagte Altaïr und schloss dem Toten die Augen.
Er holte Al Mualims Feder hervor, tauchte sie in Tamirs Blut und warf den Leibwächtern einen letzten Blick zu, dann ging er davon und verschwand im Getümmel. Als er das Geschrei hinter sich aufbranden hörte, war er nur noch ein Geist.
11
Tamir. Er war der Erste der insgesamt neun, und Al Mualims Miene hatte stumme Zufriedenheit ausgedrückt, als er von der blutbefleckten Feder auf seinem Schreibtisch zu Altaïr aufsah und ihn lobte – bevor er ihm seine nächste Aufgabe erteilte.
Altaïr hatte zustimmend den Kopf geneigt und seinen Meister verlassen. Anderntags hatte er seine Sachen gepackt und war wieder aufgebrochen, diesmal nach Akkon, eine Stadt, die sich so fest im Griff der Kreuzfahrer befand wie Damaskus in dem von Salah Al’dins Männern. Eine Stadt, die vom Krieg verwundet war.
Die Einnahme Akkons hatte große Opfer gefordert. Die Christen hatten die Stadt nach fast zweijähriger, blutiger Belagerung zurückerobert. Altaïr hatte dabei eine Rolle gespielt und dazu beigetragen, der Vergiftung der Wasservorräte der Stadt durch die Templer ein Ende zu bereiten.
Gegen das Schlachten hatte er jedoch nichts unternehmen können. Leichen im Wasser hatten sowohl den Muslimen als auch den Christen Seuchen beschert, im Innern wie auch außerhalb der Stadtmauern. Die Vorräte waren zur Neige gegangen, und Tausende waren schlicht verhungert. Dann waren weitere Kreuzfahrer eingetroffen, um noch mehr Maschinen zu bauen, mittels derer sie Breschen in die Mauern von Akkon geschlagen hatten. Die Sarazenen hatten den Feind lange genug abgewehrt, um die Löcher zu flicken, bis die Armee von Richard Löwenherz die Muslime zermürbte und zur Kapitulation zwang. Daraufhin waren die Christen in die Stadt einmarschiert und hatten die Garnison in Beschlag genommen.
Dann hatten Verhandlungen zwischen Salah Al’din und Richard über die Freilassung von Geiseln begonnen, wobei eine Meinungsverschiedenheit zwischen Richard und dem Franzosen Konrad von Montferrat zu Komplikationen geführt hatte. Denn Montferrat war nicht bereit, Gefangene herauszugeben, die die französischen Streitkräfte in ihre Gewalt gebracht hatten.
Konrad war nach Tyros zurückgekehrt und Richard war auf dem Weg nach Jaffa, wo seine Truppen auf Salah Al’dins trafen. Die Führung hatte man Konrads Vater Wilhelm überlassen.
Wilhelm von Montferrat hatte angeordnet, die muslimischen Geiseln zu töten. Auf seinen Befehl hin wurden fast dreitausend Menschen geköpft.
Und so nahm Altaïr seine Ermittlungen in einer Stadt auf, die unter den Nachwehen ihrer jüngsten Vergangenheit litt: Belagerung, Seuchen, Hungersnot, Grausamkeiten und Blutvergießen. Eine Stadt, deren Bewohner mit Leiden aller Art nur zu vertraut waren. In ihren Augen nistete der Kummer und ihre Schultern beugten sich unter der Bürde der Trauer. In den Armenvierteln der Stadt stieß er auf das schlimmste Leid – in Musselin gewickelte Leichen säumten
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