Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
Bogenschützen ließen einen Pfeilregen über dem Hof niedergehen.
Altaïr kehrte dem Gemetzel den Rücken zu, kletterte an der Wand zum Balkon hinauf und schlich sich von hinten an Nuquod heran. Den Wächter an der Seite des Wesirs schaltete Altaïr mit einer schwungvollen Klingenbewegung aus. Der Mann fiel zu Boden, wand sich, seine Kehle klaffte auf und Blut spritzte über die Fliesen des Balkonbodens. Nuquod fuhr herum, erblickte Altaïr, und seine Miene veränderte sich. Das Massaker unten im Hof hatte er lächelnd genossen. Jetzt allerdings verspürte er nur noch blanke Angst, und Altaïr nahm es zufrieden zur Kenntnis.
Dann wechselte Nuquods Gesichtsausdruck abermals und zeigte Schmerz, als Altaïr ihm die Klinge über dem Schlüsselbein in den Hals stieß.
„Warum habt Ihr das getan?“, keuchte der dicke König im Sterben und sank auf den glatten Steinboden seines Balkons.
„Ihr habt Geld von den Menschen gestohlen, die Ihr zu führen behauptet“, antwortete Altaïr, „und habt es einem unbekannten Zweck zugeführt. Ich will wissen, wo Ihr dieses Geld hingeschickt habt und warum.“
Nuquod schnaubte. „Seht mich doch an. Mein ganzes Wesen ist ein Affront gegen die Menschen, über die ich geherrscht habe. Und diese edlen Gewänder haben ihre Hassrufe auch nicht gerade erstickt.“
„Dann geht es Euch also um Rache?“, fragte Altaïr.
„Nein. Nicht um Rache, sondern um mein Gewissen. Wie könnte ich einen Krieg zu Diensten desselben Gottes finanzieren, der mich eine Scheußlichkeit nennt?“
„Wenn Ihr nicht Salah Al’dins Zielen dient, wessen dann?“
Nuquod lächelte. „Ihr werdet sie schon noch kennenlernen. Zu gegebener Zeit. Allerdings glaube ich, dass Ihr sie womöglich schon kennt.“
Von Neuem verwirrt fragte Altaïr: „Warum verbergt Ihr Euch dann? Und wozu vollbringt Ihr diese dunklen Taten?“
„Unterscheidet sich das so sehr von dem, was Ihr tut? Ihr nehmt Männern und Frauen das Leben in der Überzeugung, dass ihr Tod das Los der Zurückbleibenden verbessert. Ein geringes Unrecht zur Förderung des Gemeinwohls? Wir tun dasselbe, wir sind vom gleichen Schlag.“
„Nein.“ Altaïr schüttelte den Kopf. „Wir sind uns nicht einmal ähnlich.“
„Aber ich sehe es in Euren Augen. Euren Zweifel.“ Der Gestank des Todes lag im Atem von Nuquod, als er Altaïr näher zu sich zog. „Ihr könnt uns nicht aufhalten“, brachte er hervor. „Wir werden unsere Neue Welt bekommen … “
Er starb. Ein dünner Blutfaden lief ihm aus dem Mund.
„Genießt die Stille“, sagte Altaïr.
Er tauchte seine Feder in das Blut des Händlerkönigs.
Dann fasste er einen Entschluss. Er musste mit Al Mualim sprechen. Die Zeit der Ungewissheit musste ein Ende haben.
21
„Komm herein, Altaïr. Man hat mir deine Fortschritte bereits gemeldet“, sagte Al Mualim.
„Ich habe getan, was Ihr mir aufgetragen habt“, erwiderte Altaïr.
„Gut. Gut.“ Al Mualim sah ihn fest an. „Ich spüre, dass deine Gedanken anderswo weilen. Sprich, was beschäftigt dich?“
Es stimmte. Altaïr hatte auf der Rückreise an kaum etwas anderes gedacht. Jetzt bot sich ihm die Gelegenheit, seine Gedanken herauszulassen. „Jeder Mann, den zu töten Ihr mich ausschickt, spricht in Rätseln zu mir. Jedes Mal komme ich zu Euch und bitte um Antworten. Jedes Mal gebt auch Ihr mir nur Rätsel auf. Aber damit ist es jetzt vorbei.“
Al Mualims Augenbrauen hoben sich vor Überraschung über die Art und Weise, wie Altaïr zu ihm sprach. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?“
Altaïr schluckte, dann reckte er das Kinn vor. „Ich bin es, der das Töten übernimmt. Wenn ich das weiterhin für Euch tun soll, dann werdet Ihr mir jetzt die Wahrheit sagen.“
„Hüte dich, Altaïr. Dein Ton gefällt mir nicht.“
„Und mir gefällt nicht, wie Ihr mich täuscht“, entgegnete Altaïr lauter als beabsichtigt.
Al Mualims Miene verfinsterte sich. „Ich habe dir eine Chance gegeben, deine verlorene Ehre wiederherzustellen … “
„Ich habe meine Ehre nicht verloren“, fiel ihm Altaïr ins Wort, „sie wurde mir genommen. Von Euch. Und dann habt Ihr mich losgehetzt wie einen verdammten Hund, damit ich sie mir wiederhole.“
Der Meister zog sein Schwert. Seine Augen loderten. „Es scheint, als müsse ich mir einen anderen suchen. Das ist schade. Du hast großes Potenzial gezeigt.“
„Ich glaube, wenn Euch ein anderer zur Verfügung stünde, hättet Ihr ihn längst losgeschickt“, versetzte
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