Assassin's Creed: Die Bruderschaft (German Edition)
Ziel kurz nach der Mittagszeit. Die Sonne hatte den Zenit überschritten, und die Hitze des Tages wurde durch eine leichte Brise von Westen her gelindert. Ezio blieb vor dem großen Tor in der hohen Palisadenwand stehen, die sich um die Kaserne herumzog, und hämmerte mit der Faust dagegen.
Ein Guckloch, das ins Tor eingelassen war, wurde geöffnet, und Ezio fühlte, wie ihn ein Paar Augen musterte. Dann schloss sich die kleine Luke wieder, und er hörte einen kurzen, gedämpften Wortwechsel. Das Guckloch öffnete sich abermals. Dann ertönte ein lauter Freudenschrei, und nachdem etliche Bolzen und Riegel zurückgezogen worden waren, flog das Tor förmlich auf. Ein großer Mann, der etwas jünger war als Ezio, stand da, die grobe Armeekleidung in etwas weniger nachlässigem Zustand als gewöhnlich. Der Mann breitete die Arme aus.
„Ezio Auditore, du alter Hund! Komm rein! Komm rein! Ich bring dich um, wenn du nicht reinkommst!“
„Bartolomeo.“
Die beiden alten Freunde umarmten einander herzlich, dann gingen sie über den Kasernenhof zu Bartolomeos Unterkunft.
„Komm, komm“, sagte Bartolomeo mit dem für ihn typischen Eifer. „Ich möchte dich mit jemandem bekannt machen.“
Sie betraten einen langen, niedrigen Raum, der von dem Licht, das durch die auf den Hof gehenden Fenster hereinfiel, hell erleuchtet wurde. Der Raum diente offensichtlich sowohl zum Wohnen als auch zum Speisen, er war groß und luftig. Aber er hatte auch etwas, das so gar nicht zu Bartolomeo passen wollte. An den Fenstern hingen saubere Vorhänge. Über den Tisch war ein mit Stickereien verziertes Tuch gebreitet, und die Reste des Mittagessens waren bereits abgeräumt. An den Wänden hingen Bilder. Es gab sogar ein Bücherregal. Bianca, Bartolomeos geliebtes Großschwert, war nirgends zu sehen. Und vor allem war das Zimmer unglaublich aufgeräumt.
„Warte hier“, sagte Bartolomeo und bedeutete einem Diener mit einem Fingerschnippen, Wein zu bringen. Er war unübersehbar und in höchstem Maße aufgeregt. „Und jetzt rate mal, mit wem ich dich bekannt machen will, hm?“
Ezio schaute sich abermals im Zimmer um. „Nun, Bianca kenne ich ja schon …“
Bartolomeo machte eine ungeduldige Handbewegung. „Nein, nein! Sie ist in meinem Kartenraum, dort wohnt sie jetzt. Rate noch mal!“
„Na ja“, meinte Ezio verschmitzt, „könnte es möglicherweise, vielleicht, unter Umständen … deine Frau sein?“
Bartolomeo blickte so geknickt drein, dass es Ezio fast leidtat, einen so zutreffenden Schluss gezogen zu haben, auch wenn es nicht gerade schwierig gewesen war. Aber der große Mann war gleich wieder guter Laune und fuhr fort: „Sie ist so ein Schatz. Du glaubst es nicht!“ Er drehte sich um und rief in Richtung der anderen Zimmer: „Pantasilea! Pantasilea!“ Der Diener kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem sich Süßigkeiten, eine Karaffe und Gläser befanden. „Wo ist sie?“, wollte Bartolomeo wissen.
„Hast du schon unterm Tisch nachgesehen?“, fragte Ezio ironisch.
In diesem Moment erschien Pantasilea auf der Treppe, die an der westlichen Wand des Raumes ins Obergeschoss führte.
„Da ist sie ja!“
Ezio wandte sich ihr zu und verneigte sich. „Auditore, Ezio.“
„Baglioni, Pantasilea – jetzt Baglioni-d’Alviano.“
Sie war noch jung, Mitte oder Ende zwanzig, schätzte Ezio. Ihrem Namen nach stammte sie aus einer Adelsfamilie, und ihr Kleid war, obwohl bescheiden, hübsch und geschmackvoll. Feines blondes Haar umrahmte ihr ovales Gesicht. Sie hatte ein Stupsnäschen, ihre Lippen waren voll, der Zug darum verriet Sinn für Humor, ebenso wie ihre intelligenten dunkelbraunen Augen, deren Blick einladend war, die zugleich aber nicht alles über sie preisgaben. Sie war groß und schlank mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Ihre Arme waren lang, die Beine wohlgeformt. Bartolomeo hatte unübersehbar einen Schatz gefunden. Ezio hoffte, dass es ihm gelang, ihn festzuhalten.
„Lieta di conoscervi“, sagte Pantasilea.
„Altrettanto a lei.“
Sie blickte von einem zum anderen. „Wir werden uns bei anderer Gelegenheit näher kennenlernen“, sagte sie zu Ezio, nicht wie eine Frau, die Männer ihren Geschäften überließ, sondern wie eine Frau, die selbst Geschäfte zu besorgen hatte.
„Bleib doch ein bisschen, tesora mia !“
„Nein, Barto, du weißt doch, ich muss mit dem Sekretär sprechen. Irgendwie schafft er es immer wieder, die Konten durcheinanderzubringen. Und mit der Wasserversorgung
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