Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
als auch Teodora – und alle intelligenten, vernünftigen Menschen – wussten, warum eine Art Weltuntergangshysterie um sich zu greifen begann. Die Wende zum halben Jahrtausend war nicht mehr fern, und viele glaubten, dass das Jahr 1500 die Wiederkunft Christi bringen würde, dass der Herr „kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle seine Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zu seiner Linken“.
Matthäus’ Schilderung des Jüngsten Gerichts hallte im Geiste vieler wider.
„Dieser Herold und sein Herr schlagen wirklich Kapital aus dem febbre di fine seccolo “, sagte Teodora. „Soweit ich weiß, glauben sie sogar selbst an das, was sie predigen.“
„Das müssen sie wohl“, meinte Ezio. „Die Gefahr besteht darin, dass sie mit dem Apfel in ihren Händen vielleicht tatsächlich einen Weltuntergang heraufbeschwören könnten, der nichts mit Gott, sondern allein mit dem Teufel zu tun hat.“ Er schwieg kurz. „Aber noch haben sie die Macht, die sie besitzen, nicht entfesselt, und dafür müssen wir Gott dankbar sein, denn ich bezweifle, dass sie wüssten, wie sie zu bändigen wäre. Zumindest im Augenblick scheinen sie sich damit zu begnügen, die Apokalypse nur vorherzusagen, und das“, er lachte bitter, „war schon immer ein gutes Geschäft.“
„Aber das ist noch nicht alles“, sagte Teodora. „Man könnte fast glauben, die Apokalypse stünde wirklich vor der Tür. Habt Ihr die traurige Nachricht gehört?“
„Ich habe nichts gehört, seit ich Forlì verlassen habe.“
„Lorenzo de’ Medici ist in seiner Villa in Careggi gestorben.“
Ezios Miene wurde grimmig. „Das ist allerdings eine Tragödie. Lorenzo war ein echter Freund meiner Familie, und ohne seine schützende Hand wird es mir, fürchte ich, nie gelingen, den Palazzo Auditore zurückzugewinnen. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was sein Tod für den Frieden zwischen den Stadtstaaten bedeuten könnte. Dieser Friede war schon immer zerbrechlich – wohlwollend ausgedrückt.“
„Es ist noch mehr geschehen“, fuhr Teodora fort. „Und diese Nachricht ist noch schlechter als die vom Tode Lorenzos.“ Sie hielt inne. „Macht Euch auf etwas gefasst, Ezio. Der Spanier, Rodrigo Borgia, wurde zum Papst gewählt. Er herrscht als Alexander VI. über den Vatikan und Rom!“
„ Was?! Durch welche Teufelei …?“
„Das Konklave in Rom endete gerade erst in diesem Monat. Gerüchten zufolge hat Rodrigo die meisten Stimmen einfach gekauft. Selbst Ascanio Sforza, der aller Wahrscheinlichkeit als Kandidat gegen ihn angetreten wäre, stimmte für ihn! Es heißt, er sei mit vier Maultierladungen Silber bestochen worden.“
„Was bringt es ihm, Papst zu sein? Worauf ist er aus?“
„Ist derart gewaltiger Einfluss nicht genug?“ Teodora schaute ihn an. „Jetzt ist ein Wolf an der Macht, Ezio. Vielleicht der raubgierigste Wolf, den die Welt je gesehen hat.“
„Es stimmt, was Ihr sagt, Teodora. Aber die Macht, nach der er trachtet, ist sogar noch größer als jene, die ihm das Amt des Papstes einbringt. Wenn er im Vatikan die Fäden zieht, ist er dem Ziel, der Gruft, einen gewaltigen Schritt näher. Und er ist nach wie vor dem Apfel auf der Spur, jenem ‚Stück Eden‘, das er braucht, um … die Macht Gottes zu erlangen!“
„Lasst uns beten, dass ihr diesen Apfel für die Assassinen zurückerobern könnt – Rodrigo als Papst und Meister der Templer ist gefährlich genug. Wenn er auch noch den Apfel hat …“ Sie verstummte. „Wie Ihr sagt, er wäre unbezwingbar.“
„Es ist schon komisch“, meinte Ezio.
„Was?“
„Unser Freund Savonarola weiß nichts davon – aber ihm sind zwei Jäger auf den Fersen.“
* * *
Teodora führte Ezio zu dem großen Platz im Gewerbeviertel Venedigs, wo der Herold für gewöhnlich seine Predigten hielt, und ließ ihn dort zurück. Ezio, die Kapuze übergestreift und das Gesicht gesenkt, aber dennoch wachsam, mischte sich unter die Menge, die sich bereits zu sammeln begann. Es dauerte nicht lange, bis der Platz gefüllt war. Das Publikum drängte sich um eine kleine Holzbühne, die jetzt ein Mann betrat, ein asketisch wirkender Kerl mit kalten blauen Augen und hohlen Wangen, eisengrauem Haar und knotigen Händen, gekleidet in ein schlichtes, graues
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