Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
Wollgewand. Er begann zu sprechen und verstummte nur, wenn der irrsinnige Jubel der Menge ihn dazu zwang. Ezio erlebte, wie geschickt ein einzelner Mensch Hunderte in blinde Hysterie stürzen konnte.
„Schart Euch um mich, Kindlein, und hört mein Klagen! Denn das Ende aller Tage ist nah. Seid Ihr bereit für die Dinge, die da kommen? Seid ihr bereit, das Licht zu schauen, das mein Bruder Savonarola uns beschert hat?“ Er hob die Hände, und Ezio, der genau wusste, von welchem Licht der Herold sprach, hörte aufmerksam zu. „Düstere Zeiten kommen auf uns zu“, fuhr der Herold fort. „Aber mein Bruder hat mir den Weg zur Erlösung gewiesen, den Weg zum himmlischen Licht, das uns erwartet. Aber nur, wenn wir bereit sind, wenn wir ihn willkommen heißen. Savonarola soll unser Führer sein, denn er allein weiß, was uns bevorsteht. Er wird uns nicht in die Irre führen.“ Jetzt beugte sich der Herold über das Pult, an dem er stand. „Seid ihr bereit für den Jüngsten Tag, Brüder und Schwestern? Wem werdet ihr folgen, wenn die Zeit gekommen ist?“ Er machte eine weitere Pause, um seine Worte wirken zu lassen. „In der Kirche gibt es viele, die Erlösung versprechen, die Boten, die Ablasskrämer, die wirrköpfigen Sklaven des Aberglaubens … Aber nein, meine Kindlein! Sie stehen alle im Bann des Borgia-Papstes, im Bann von ‚Papst‘ Alexander, dem Sechsten und verderbtesten dieses Namens!“
Die Menge kreischte. Ezio zuckte innerlich zusammen. Er erinnerte sich an die Bilder, die offenbaren Prophezeiungen, die ihm der Apfel in Leonardos Werkstatt gezeigt hatte. Bilder einer fernen Zukunft, in der wirklich die Hölle auf Erden entfesselt werden würde – wenn er es nicht verhinderte.
„Unser neuer Papst Alexander ist kein Mann des Geistes, kein Mensch der Seele. Leute wie er kaufen eure Gebete und verkaufen eure Pfründe, um Gewinn daraus zu schlagen. Alle Priester unserer Kirchen sind geistliche Kaufleute! Es ist nur einer unter uns, der ein wahrer Mann des Geistes ist, nur einer, der die Zukunft gesehen und mit dem Herrn gesprochen hat! Mein Bruder Savonarola! Er soll uns führen!“
Ezio überlegte, ob dieser Mönch den Apfel geöffnet hatte, so wie er selbst es getan hatte? Hatte er die gleichen Visionen geschaut? Was hatte Leonardo noch über den Apfel gesagt? Dass er gefährlich sei für Menschen schwächeren Geistes.
„Savonarola soll uns ins Licht führen“, kam der Herold zum Schluss. „Savonarola soll uns verkünden, was da kommt! Savonarola soll uns zur Pforte des Himmels geleiten! Es soll uns an nichts mangeln in der neuen Welt, die Savonarola gesehen hat. Bruder Savonarola beschreitet den einzigen Pfad zu Gott, nach dem wir gesucht haben!“
Wieder hob er die Hände, und die Menge schrie und jubelte.
Ezio war sich im Klaren darüber, dass seine einzige Möglichkeit, den Mönch zu finden, dessen Jünger war. Aber er musste an diesen Mann herankommen, ohne den Argwohn der ihm ergebenen Menge zu erregen. Vorsichtig näherte er sich ihm, ganz in der Rolle des frommen Mannes, der in der Herde des Herolds bekehrt werden wollte.
Es war nicht leicht. Er wurde von anderen angerempelt, die sahen, dass er ein Fremder war, ein Neuer, jemand, dem mit Vorbehalt zu begegnen war. Aber er lächelte, dienerte und setzte schließlich sogar Geld ein und sagte: „Ich möchte spenden für die Ziele Savonarolas und derer, die ihn unterstützen und an ihn glauben.“ Und das Geld tat wie üblich seine Wirkung. Geld, so dachte Ezio, ist der größte Bekehrer von allen.
Endlich bat der Herold, der Ezios Vormarsch mit einer Mischung aus Belustigung und Verächtlichkeit verfolgt hatte, seine Anhänger, beiseite zu treten, und winkte ihn zu sich. Er ging mit ihm an ein ruhigeres Örtchen, eine kleine Piazza abseits des Hauptplatzes, wo sie sich unter vier Augen unterhalten konnten. Zufrieden stellte Ezio fest, dass der Herold offenkundig glaubte, ein wichtiges und reiches neues Mitglied für seine Herde gewonnen zu haben.
„Wo ist Savonarola?“, fragte Ezio.
„Er ist überall, Bruder“, erwiderte der Herold. „Er ist eins mit uns allen, und wir alle sind eins mit ihm.“
„Hört zu, mein Freund“, entgegnete Ezio eindringlich. „Ich suche den Mann, nicht den Mythos. Bitte sagt mir, wo ich ihn finde.“
Der Herold sah ihn scheel an, und Ezio erkannte deutlich den Wahnsinn in seinen Augen. „Ich habe Euch gesagt, wo er ist. Savonarola liebt Euch so, wie Ihr seid. Er wird Euch das Licht zeigen. Er
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