Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
nicht. Er ritt sich nur noch tiefer hinein, selbstzufrieden und mit kaum unterdrücktem Lachen. „Sef starb in dem Glauben, dass Ihr ihn gehasst habt.“
Da wandte sich Altaïr ihm mit loderndem Blick zu. Der Apfel in seiner Hand explodierte wie im Licht eines vergehenden Sterns.
„Ahhhhh!“, schrie der Leibwächter schmerzerfüllt auf. Sein ganzer Körper zuckte unkontrolliert. Mit den Händen griff er sich an den Kopf, seine Finger schienen sich in seine Schläfen graben zu wollen. Es sah aus, als wollte er sich den Schädel von den Schultern reißen, um der Qual ein Ende zu machen.
„Altaïr!“, schrie Maria.
Aber Altaïr hörte sie gar nicht. Seine Augen waren schwarz vor Zorn. Von einer unsichtbaren Macht getrieben, zog der Leibwächter – sichtlich wider Willen – ein langes Messer aus seinem Gürtel und riss es mit zitternden Händen, die sich der Kraft, die sie zu ihrem Tun zwang, widersetzen wollten, in die Höhe, bereit, es sich selbst in die Kehle zu stoßen.
Maria packte den Arm ihres Mannes, schüttelte ihn und schrie abermals: „Altaïr! Nein!“
Endlich zeigten ihre Worte Wirkung. Im nächsten Augenblick befreite sich Altaïr, sichtlich erschüttert, aus der Trance, die ihn befallen hatte. Seine Augen wurden wieder normal, das Licht zog sich in den Apfel zurück, der dunkel und stumpf wurde und untätig in seiner Hand lag.
Der Leibwächter jedoch, erlöst vom Zwang der Macht, die ihn in ihrem Griff gehalten hatte, schüttelte sich wie ein nasser Hund, sah sich mit vor Wut und Angst glitzernden Augen um und stürzte sich dann, einen schrecklichen Fluch auf den Lippen, auf Maria und stieß ihr sein Messer tief in den Rücken. Er ließ es stecken und wich zurück. Über Marias Lippen kam ein schwacher Aufschrei. Sämtliche Assassinen standen da wie zu Stein erstarrt. Selbst Abbas schwieg mit offenem Mund.
Nur Altaïr rührte sich. Für den Leibwächter hatte es den Anschein, als löste der einstige Mentor seine verborgene Klinge unendlich langsam aus. Die Klinge fuhr mit einem Klicken hervor, und dieser Ton klang so laut, als platzte ein Fels unter der Sonnenhitze. Der Leibwächter sah die Klinge auf sich, auf sein Gesicht zukommen, er sah, wie sie sich Zentimeter um Zentimeter näherte, Sekunde um Sekunde, wie ihm vorkam. Doch dann schien die Zeit plötzlich wieder zu greifen, und die Klinge schoss nun auf ihn zu und bohrte sich mit grauenhafter Wucht zwischen seine Augen und spaltete ihm das Gesicht. In seinem Kopf schien etwas zu explodieren, dann … nichts mehr.
Altaïr stand eine halbe Sekunde lang reglos da, als der Leibwächter zu Boden fiel. Blut schoss zwischen seinen Augen hervor. Dann fing Altaïr seine Frau auf, als sie zusammenbrach, und er ließ sie sanft auf den Erdboden sinken, der sie schon bald aufnehmen würde. Das war ihm klar. In seinem Herzen wuchs eine Kugel aus Eis heran. Er beugte sich über Maria, und sein Gesicht war dem ihren so nah, dass sie aussahen wie ein Liebespaar, das im Begriff war, sich zu küssen. Eine Stille umfing sie, die sich wie eine Rüstung um sie legte. Maria versuchte zu sprechen. Er gab sich alle Mühe, sie zu verstehen.
„Altaïr. Mein Liebster. Kraft.“
„Maria … “ Seine Stimme war nicht mehr als ein gequältes Flüstern.
Dann nahm er die Geräusche, den Staub und die Gerüche ringsum wieder wahr, sie durchdrangen die schützende Rüstung, und über allem erklang die schrille Stimme von Abbas: „Er ist besessen! Tötet ihn!“
Altaïr stand auf, erhob sich zu voller Größe und wich langsam zurück.
„Nehmt ihm den Apfel ab!“, schrie Abbas. „Los!“
45
Altaïr floh, bevor sie reagieren konnten – floh aus der Burg, durch das klaffende Portal, den Steilhang hinunter und in den kargen Wald, der den Bereich zwischen Festung und Dorf im Norden begrenzte. Und dort, auf einer Lichtung und wie durch ein Wunder, ließ ihn das Zusammentreffen mit einem anderen Mann stehen bleiben, einem Mann, der aussah wie er, nur eine Generation jünger.
„Vater!“, rief der andere. „Ich bin sofort aufgebrochen, als ich Eure Nachricht erhielt. Was ist geschehen? Komme ich zu spät?“
Auf der Burg hinter ihnen wurde Alarm geblasen.
„Darim! Mein Sohn! Du musst umkehren!“
Darim schaute an seinem Vater vorbei. Dort, auf den Kämmen jenseits des Waldes, sah er, wie sich die Assassinen versammelten, bereit, Jagd auf sie zu machen.
„Sind die alle verrückt geworden?“
„Darim, noch habe ich den Apfel. Wir müssen gehen. Abbas
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