Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
vorbeigingen, die Augen entweder gesenkt oder abgewandt. „Wenn ich durch dieses Dorf gehe, spüre ich große Angst in den Menschen, aber keine Liebe.“
„Abbas hat diesen Ort geschliffen und aller Freude beraubt.“
Altaïr blieb stehen und sah seine Frau mit ernster Miene an. Sein Blick tastete über ihr Gesicht, das inzwischen Falten zeigte, aber immer noch schön war, ihre Augen waren klar, obwohl er sich der Vorstellung hingab, darin alles zu sehen, was sie zusammen durchgemacht hatten.
„Vielleicht laufen wir in unser Verderben, Maria“, gab er zu bedenken.
Sie nahm seine Hand. „Vielleicht. Aber wir tun es gemeinsam.“
44
Maria und Altaïr hatten die Ausläufer der Burg erreicht und trafen auf Assassinen, Angehörige der Bruderschaft, die sie kannten. Aber die Begegnungen waren alles andere als freundlich. Als einer auf sie zukam und Anstalten machte, an ihnen vorbeizugehen, ohne sie zur Kenntnis zu nehmen, hielt Altaïr ihn an.
„Bruder! Sprich kurz mit uns!“
Unwillig drehte sich der Assassine um. Seine Miene war finster. „Weshalb sollte ich mit Euch sprechen? Auf dass Ihr meinen Geist mit Eurem teuflischen Artefakt verdrehen könnt?“
Damit eilte er davon. Mehr wollte er nicht sagen.
Ein anderer Assassine kam des Weges. Aber auch er wollte, wie leicht zu sehen war, jeglichen Kontakt zum früheren Mentor und dessen Frau vermeiden.
„Geht es Euch gut, Bruder?“, fragte Altaïr und trat auf ihn zu. Sein Ton hatte etwas Herausforderndes.
„Wer will das wissen?“, entgegnete der andere rüde.
„Erkennt Ihr mich nicht? Ich bin Altaïr.“
Er musterte ihn ruhig. „Dieser Name klingt nur noch hohl und leer, und Ihr seid ein Niemand, nichts weiter. Der Wind könnte mir mehr erzählen als Ihr.“
Sie gingen weiter und erreichten unangefochten die Burggärten. Dort angelangt, begriffen sie, warum man sie so weit kommen ließ, denn plötzlich waren sie umzingelt von dunkel gekleideten Assassinen, die Abbas, der das Amt des Mentors widerrechtlich an sich gerissen hatte, treu ergeben waren. Die Männer waren bereit, jederzeit zuzuschlagen. Auf einem Wehrgang über ihnen erschien sodann Abbas selbst und grinste höhnisch auf sie herab.
„Lasst sie reden!“, befahl er mit gebieterischer Stimme. Zu Altaïr und Maria sagte er: „Warum seid Ihr hergekommen? Warum seid Ihr zurückgekehrt an diesen Ort, wo Ihr nicht willkommen seid? Um ihn noch mehr zu besudeln?“
„Wir suchen nach der Wahrheit über den Tod unseres Sohnes“, erwiderte Altaïr mit ruhiger, klarer Stimme. „Warum wurde Sef umgebracht?“
„Sucht Ihr wirklich nach der Wahrheit oder nach einer Rechtfertigung, um Rache zu üben?“, entgegnete Abbas.
„Wenn uns die Wahrheit eine solche Rechtfertigung liefert, werden wir entsprechend handeln“, gab Maria zurück.
Diese Antwort ließ Abbas innehalten, doch nach einem Moment des Überlegens sagte er in leiserem Ton: „Gib den Apfel heraus, Altaïr, und ich werde dir verraten, warum dein Sohn zu Tode kam.“
Altaïr nickte wie unter einer inneren Einsicht und drehte sich um, bereit, das Wort an die versammelte Bruderschaft der Assassinen zu richten. „Die Wahrheit ist also schon ans Licht gekommen! Abbas will den Apfel für sich selbst. Nicht, um Euer Denken zu öffnen, sondern um es zu kontrollieren!“
Abbas Erwiderung erfolgte schnell. „Du hast dieses Artefakt seit dreißig Jahren in deinem Besitz, Altaïr, suhlst dich in seiner Macht und hortest seine Geheimnisse. Es hat dich verdorben!“
Altaïr ließ den Blick über das Meer von Gesichtern ringsum schweifen. In den meisten davon las er Ablehnung, einige – wenige – zeigten Anzeichen von Zweifel. Seine Gedanken rasten. Er fasste einen Plan.
„Nun gut, Abbas“, sagte er. „Nimm ihn!“
Und damit holte er den Apfel aus der Tasche, die er an der Hüfte trug, und hielt ihn in die Höhe.
„Was … ?“, entfuhr es Maria bestürzt.
Abbas’ Augen blitzten beim Anblick des Apfels auf, aber er zögerte, ehe er seinem Leibwächter ein Zeichen gab, zu Altaïr zu gehen und ihm das Artefakt aus der hageren Hand zu nehmen.
Der Leibwächter kam näher. Als er neben Altaïr stand, schien er wie von einem Dämon besessen – mit einem amüsierten Ausdruck im Gesicht beugte er sich vor und flüsterte dem ehemaligen Mentor ins Ohr: „Ich war es, der Euren Sohn Sef hingerichtet hat. Und bevor ich ihn umbrachte, sagte ich ihm, dass Ihr es wart, der seinen Tod befahl.“
Das Aufblitzen in Altaïrs Augen sah er
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