Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
ihm nicht fremd, und einmal mehr schien eine Katastrophe zu drohen. Aber er hatte das wunderbare und schreckliche Artefakt in all der Zeit sicher gehütet. Wie lange würde er dazu noch die Kraft haben? Wie lange noch würde sein Rücken den Schlägen standhalten, die das Schicksal auf ihn niedergehen ließ?
Er wurde in seinen Überlegungen gestört – und die Störung kam ihm keineswegs ungelegen – vom Erscheinen seiner Frau, Maria Thorpe, der Engländerin, die einst – vor langer Zeit – sein Feind gewesen war, eine Frau, die zum Orden der Templer hatte gehören wollen. Doch Zeit und Zufall hatten all das geändert. Und nun waren sie nach langer Abwesenheit nach Masyaf zurückgekehrt und stellten sich gemeinsam dem Schicksal.
Sie spürte seine gedrückte Stimmung und setzte sich neben ihn auf die Bank. Er erzählte ihr die Neuigkeiten.
„Die Templer haben ihr Archiv auf Zypern zurückerobert. Abbas Sofian hat keine Verstärkung geschickt, um die Verteidiger zu unterstützen. Es war ein Massaker.“
Marias Lippen öffneten sich vor Überraschung und Schrecken. „Wie konnte Gott das zulassen?“
„Maria, hör mir zu! Als wir Masyaf vor zehn Jahren verließen, war unser Orden noch stark. Aber seitdem wurde all unser Fortschritt, alles, was wir aufgebaut haben, ungeschehen gemacht und niedergerissen.“
Ihr Gesicht war eine Maske stummen Zornes. „Dafür wird Abbas sich verantworten müssen.“
„Verantworten? Vor wem?“, erwiderte Altaïr wütend. „Die Assassinen gehorchen nur noch seinem Befehl.“
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. „Widersetze dich deinem Wunsch nach Rache, Altaïr! Wenn es stimmt, was du sagst, werden sie ihren Irrtum einsehen.“
„Abbas hat unseren jüngsten Sohn hingerichtet, Maria! Er verdient den Tod!“
„Ja. Aber wenn du die Bruderschaft nicht auf ehrenhaftem Weg zurückgewinnen kannst, wird ihr Fundament zerfallen.“
Altaïr antwortete nicht gleich, sondern saß nur finster vor sich hin brütend da. Als er schließlich den Kopf hob, hatte sich seine Miene jedoch aufgehellt.
„Du hast recht, Maria“, sagte er ruhig. „Vor dreißig Jahren ließ ich die Leidenschaft über meine Vernunft siegen. Ich war dickköpfig und ehrgeizig, und damit verursachte ich eine Kluft innerhalb der Bruderschaft, die sich nie wieder ganz geschlossen hat.“
Er stand auf, und Maria erhob sich mit ihm. Langsam und ins Gespräch vertieft gingen sie durch das staubige Dorf.
„Wähle vernünftige Worte, Altaïr, und vernünftige Menschen werden dir zuhören“, ermutigte sie ihn.
„Ein paar vielleicht. Aber nicht Abbas.“ Altaïr schüttelte den Kopf. „Ich hätte ihn vor dreißig Jahren verbannen sollen, als er den Apfel stehlen wollte.“
„Aber du hast dir den Respekt der anderen Assassinen verdient, weil du dich gnädig gezeigt hast – du hast ihm erlaubt zu bleiben, Liebster.“
Er lächelte. „Woher weißt du das alles? Du warst doch gar nicht dabei.“
Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich habe einen Meister im Geschichtenerzählen geheiratet“, antwortete sie leichthin.
Vor ihnen ragte die gewaltige Burg auf. Ein Hauch von Verwahrlosung ging davon aus, oder mehr noch – Trostlosigkeit.
„Sieh nur hin„, grollte Altaïr. „Masyaf ist nur noch ein Schatten seiner selbst.“
„Wir waren lange fort“, erinnerte Maria ihn sanft.
„Aber wir hatten uns nicht verkrochen“, erwiderte er gereizt. „Die Gefahr durch die Mongolen, der Sturm aus dem Osten, die Horden des Dschingis Khan verlangten nach unserer Aufmerksamkeit, und wir ritten ihnen entgegen. Welcher Mann hier kann dasselbe von sich behaupten?“
Sie gingen weiter. Nach einer Weile brach Maria ihrer beider Schweigen, indem sie fragte: „Wo ist unser ältester Sohn? Weiß Darim, dass sein Bruder tot ist?“
„Ich habe Darim vor vier Tagen eine Nachricht geschickt. Wenn wir Glück haben, hat er sie inzwischen erhalten.“
„Dann sehen wir ihn vielleicht bald wieder.“
„So Gott will.“ Altaïr schwieg. „Weißt du, wenn ich an Abbas denke, tut er mir beinah leid. Sein Groll gegen uns lastet wie ein schwerer Umhang auf seinen Schultern.“
„Seine Wunde ist tief, Liebster. Vielleicht … vielleicht hilft es ihm, die Wahrheit zu hören.“
Doch Altaïr schüttelte den Kopf. „Sie wird nichts ändern, nicht für ihn. Für ein verwundetes Herz ist die Weisheit nur eine Messerspitze.“ Er verstummte wieder und ließ den Blick in die Runde schweifen, über die wenigen Dorfbewohner, die an ihnen
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