Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
der Finsternis saß, Audienz hielt und sie empfing, wie er zuvor seinen Schatten empfangen hatte.
Die einen wie die anderen hatten ihre Rolle im Ende von Zwerg und Zwergeszwerg zu spielen, waren auf die eine oder andere Weise Teil der großen Erzferkelprophezeiung und dazu ausersehen, das Schicksal der Gänge zu verändern.
Der erste der beiden Neuankömmlinge kniete an der Schwelle der Höhle des Meisters nieder, in deren Finsternis die Anwesenheit des Anführers des Neuen Stahls allenfalls zu erahnen war.
»Schau auf!«, befahl die Stimme des Meisters harsch, und der Zwerg hob langsam den Kopf.
»Ich will sie sehen!«, bellte es aus der undurchdringlichen Schwärze. Der Zwerg öffnete die Lippen und entblößte in einem schmerzverzerrten Lächeln seine Zähne. Blankes Gold funkelte seinem Herrn entgegen, hier und da von Blut benetzt, das aus dem geschwollenen Zahnfleisch lief, sonst jedoch makellos. Man sah dem Zwerg an, dass er Schmerzen hatte. Dennoch gehorchte er ohne Widerworte. Denn er wusste, dass er ein Werkzeug des Neuen Stahls war, ein Teil der Zange, die sich bald schon unerbittlich um das Alte Eisen schließen würde. Er war der Goldbezahnte.
Der zweite Teil der Zange kniete einen knappen Bart neben ihm. Er trug einen prall gefüllten Lederrucksack und drückte seine Stirn zitternd auf den staubigen Boden.
»Und du! Lass es mich sehen…«, ertönte die Stimme des Meisters an ihn gewandt.
Ohne aufzublicken, nahm der Zwerg seinen Rucksack ab, öffnete ihn und holte eine stoffumhüllte Flasche hervor, die er in das Dunkel der Höhle hineinreckte. Leise, schlurfende Schritte waren zu hören. Dann erahnte man für einen kurzen Moment eine Hand zwischen Dunkel und Licht, und die Flasche war verschwunden. Der Kniende wusste, dass der Inhalt dieser Flaschen von nun an sein Schicksal war. Bis das Imperium zerbrochen war, würde er nichts anderes mehr trinken.
Der Meister öffnete die Flasche und roch daran. Deutlich drangen die Geräusche aus der undurchdringlichen Finsternis an das Ohr der Knienden. Der Meister nahm einen Schluck und lachte leise. »Fantastisch. Bier, das nach nichts riecht und nach nichts schmeckt. Sie werden es für Wasser halten… Oh, wie wundervoll. Dein Atem wird riechen wie Wasser, dein Auge wird klar sein wie Wasser! Der Zwerg, der kein Bier trinkt! Der Untrunke, ha! Sie werden zittern! Zittern vor der Wahrheit ihrer eigenen Prophezeiung!«
Er lachte, und der falsche Untrunkene atmete auf. Der Meister im Dunkeln war zufrieden. Und die große Erzferkelprophezeiung stand im Begriff, sich zu erfüllen…
5
Dumbrigk Brockbart hielt Wache vor der zentralmagischen Kammer auf der Ebene des Großen Verwalters. Die Kammer lag am Ende der Verbindungshöhle, von der auch die Halle der steinernen Tafel, das Quartier der Stahlgardisten und der Aufzug in die Halle der Helme abgingen.
Hier dienten nur die besten Gardisten des Imperiums. Dumbrigk Brockbart war Gardist durch und durch. Er war der fleischgewordene Wille des Großen Verwalters, seine Faust und seine Axt. Gegenwärtig waren Wille, Faust und Axt allerdings betrunken.
Selbst für einen Zwerg trank Brockbart vergleichsweise viel. Zu viel hätte natürlich niemand gesagt, allein schon, weil es für einen Zwerg vollkommen unmöglich war, zu viel zu trinken. Jeder Schluck über das vernünftige Maß hinaus schuf Respekt. Und die meisten Zwerge trafen sich nach Schichtende jenseits des vernünftigen Maßes, um bedeutsame Dinge zu bereden, wonach sie zu Schichtbeginn in der Regel Kopfschmerzen hatten. Die meisten Zwerge setzten diese Tatsache jedoch nicht mit dem Trinken in Beziehung, sondern gingen davon aus, dass Gespräche grundsätzlich Kopfschmerzen verursachten. *
Aber bei allem Respekt, den die übrige Stählerne Garde Brockbart entgegenbrachte, war ihnen doch auch klar, dass der Alkohol, den er bei Dienstantritt stets intus hatte, im Ernstfall dazu geführt hätte, dass selbst ein einbeiniger blinder Troll ohne Arme ihn hätte überwältigen können.
Sicher, es gab Gardisten, die ihre Äxte selbst in volltrunkenem Zustand noch virtuos und mit tödlicher Präzision zu schwingen vermochten. Dumbrigk Brockbart aber war nicht volltrunken. Er war etwa das Doppelte davon, und nur durch langjährige Übung gelang es ihm, sich in diesem Zustand überhaupt noch auf den Beinen zu halten und einigermaßen wach zu wirken.
Das war nicht immer so gewesen. Aber dann war er hierher versetzt worden. Auf den
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