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Astragalus

Titel: Astragalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albertine Sarrazin
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hier.«
    Ich krümme mich um die erstarrte Flamme zusammen, die der Alkohol in mir entzündet hat. Ich lasse meinen Fuß neben dem Rad hinunterhängen und klammere mich mit beiden Armen an Julien.
    Ein neues Zeitalter beginnt.

2
    Ich hatte nicht gezittert, als ich die Finger öffnete, um mich von der Mauer zu lösen. Die ganze Nacht war ich regungslos und angespannt gewesen, war nicht in der Lage gewesen, herauszufinden, was mit mir geschah. Und jetzt, unter der hellen Glühbirne in der Küche, gleichzeitig mit Wärme und Entspannung, übermannte mich mein Leiden, und ich ließ mich mit allen Knochen schlottern. Zwischen Spüle und Herd geklemmt versuchte ich, meine klappernden Zähne und meinen ganzen Körper zu kontrollieren, er wurde von einem Nerventornado geschüttelt, der sich auf meinen Stuhl und die Zigarette in meiner Hand übertrug. Ich bemerkte, dass ich einen Männerpyjama und einen schwarzen Jacquardpullover trug, der Gefängnismantel war verschwunden.
    Jemand hatte mich auf einen Stuhl gesetzt. Jemand hatte einen anderen, mit einem Kissen drauf, unter meine Beine geschoben. Gestalten bewegten sich vor mir, mein Retter in der Nacht, ein anderer, größerer Mann, eine alte, winzige Frau. Ich verstand immer noch keine Worte, aber ich hörte und roch, dass Kaffee gekocht wurde: Klappern der Kanne, Tropfen des Filters, leicht bitterer Duft. Mein Fuß hatte aufgehört zu heulen wie ein Hund, der lange durch die Nacht gejault hat, bis er ins Haus gelassen wird und am Feuer einschläft.
    Der Große betastete meinen Knöchel, Miene besorgter Doktor. Die alte Frau brachte Mull und Fläschchen, setzte Wasser auf.
    »Das ist meine Mutter«, sagte Julien.
    Die Mutter wusch das Blut ab, verbarg meinen Fuß säuberlich unter einem dicken Verband. Niemand wunderte sich oder fragte, ihre Bewegungen waren natürlich und effizient. Vielleicht war ich nach Hause gekommen, ins Haus meiner Kindheit, nach einer finsteren, mühseligen Reise, vielleicht war diese Frau auch meine Mutter. Wieder von Julien getragen, stieg ich die Stufen zum Obergeschoss hinauf, um mich in mein Bett im Kinderzimmer zu legen.
    »Versuch jetzt ein bisschen zu schlafen«, sagte Julien und küsste mich flüchtig auf die Wange.
    »Ich komme morgen früh zurück. Und zeig dich bloß nicht am Fenster.«
    »Wenn ich bis da laufen könnte!«
    »Stimmt. Los, schlaf. Morgen sehen wir weiter.«
    Er machte das Licht aus und zog die Tür zu, bis nur noch ein Lichtstrahl hereindrang.
    Mein Bett, ganz klein, ein großes Kinderbett, stand in der Zimmermitte; rechts und links an den Wänden ahnte ich zwei weitere, das waren Kleinkinderbetten, die Matratzen dicht am Boden und von einem Gitter umschlossen. Darin regte es sich: leises Glucksen, leise Schreie, glücklich oder erschreckt, plötzliche Bewegung von Decken, dann die Rückkehr zum tiefen, etwas nasalen Atem schlafender Kinder. Wir waren drei Kinder, und mein Fuß hing an meinem Ende wie eine dicke, formlose Puppe. Zentimeter für Zentimeter hatte ich ihn bis in die Mitte des Betts gezogen, und mein aufgestelltes rechtes Bein bildete ein Zelt über ihm, das ihn vor dem Gewicht und der Berührung der Decke bewahrte. Ich lag in einem Viereck, an mir hing ein fremdes Gewicht, das mich daran hinderte, das Viereck zu verlassen, ein außerordentlich träges und steifes Gewicht, ein rebellisches, dumpfes Glied, ein lebendiges Stück Holz, es scherte sich nicht um mich und die Bemühungen meines Kopfes und meiner Muskeln, es gehorchen zu lassen.
    Im Morgengrauen kam eine junge Frau ins Zimmer; sie trug einen roten Bademantel über ihrem Nachthemd. Sie lächelte leicht, als sie die Vorhänge öffnete. Auch sie wirkte keine Spur überrascht, mich dort zu sehen. Sanft schüttelte sie die kleinen Pakete in den Betten und trällerte: »Auf, auf, wir müssen aufstehen.« Und ich bekam Lust, auch geweckt zu werden, nach unten zu gehen, zu den Butterbroten und dem Schulranzen, zusammen mit den beiden hübschen Kindern, die der rote Bademantel aufforderte »Guten Morgen, Mademoiselle« zu sagen.
    Verlegen, sowohl wegen der ungewöhnlichen Situation – in einem riesigen Pyjama mitten in der Nacht in ihrem Zimmer gelandet zu sein –, als auch wegen fehlender Erfahrung im Umgang mit Kindern, lächelte ich, so gut ich konnte, und sagte wie zu Erwachsenen »Guten Morgen, Mademoiselle«, die sieben Jahre alt sein mochte, und »Monsieur«, der ungefähr fünf war, »guten Morgen«. Was suchte ich, deren Kindheit nur aus

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