Astrella 02 - Brudernacht
Julia. Wir haben den psychologischen Betreuungsdienst miteinbezogen.«
»Gut, sehr gut.«
»Julias Eltern helfen uns, wie es nur geht. Und bis jetzt ist kein böses Wort gefallen dahingehend, dass wir nicht genug tun würden. Bei Tims Eltern bin ich mir dagegen nicht so recht im klaren darüber, wie sie die Sache aufnehmen. Natürlich sind sie erschüttert. Nur habe ich irgendwie das Gefühl, als hätten sie zu ihrem Sohn keine so herzliche und tiefe Beziehung, wie sie Julias Eltern zu ihrer Tochter haben.«
»Und, wie willst du weiter vorgehen?«
»Solange die beiden nicht vernehmungsfähig sind, bleibt uns nur die übliche Ermittlungsarbeit.«
»Könnte die Sache etwas mit der Vergewaltigungsserie zu tun haben?«
»Bisher scheint nichts darauf hinzudeuten. Die Serie wird von einem Einzeltäter begangen.«
»Konnte von Julia eigentlich ein Abstrich genommen werden?«
»Du meinst, wegen der DNS-Analyse?«
»Ja.«
»Ja, wir erwarten die Ergebnisse in ein paar Tagen. Allerdings glaube ich nicht, dass sie uns wirklich weiterbringen. Außer natürlich, sie sind bereits gespeichert.«
10
Wo sollte er ansetzen?
Astrella goss schon viel zu lange den gelben Rosenstrauch in seinem Garten. Frau Klimnich hatte ihn seit seinem Besuch mehrmals angerufen. Er hatte es geduldet, weil ihm klar war, wie wichtig es für sie war, mit jemandem reden zu können. Auch wenn er sie nicht darüber im Zweifel gelassen hatte, dass die Suche nach dem Mörder ihres Mannes ein schwieriges Unterfangen werden würde. Und bis jetzt war er noch keinen Schritt weitergekommen, ja, er wusste nicht einmal, womit er anfangen sollte. Er konnte nicht allzu oft bei Zillmann anrufen und nach dem Stand der Ermittlungen fragen. Andererseits entgingen ihm dadurch möglicherweise wichtige Informationen. Vielleicht war aber zwischenzeitlich ein Zeuge gefunden worden, der neue Hinweise ins Spiel gebracht hatte. Oder die Spurensuche hatte neue Erkenntnisse vermittelt, mit deren Hilfe die Fahndung neu ausgerichtet werden konnte.
Astrella veränderte die Richtung des Wasserstrahls. Dadurch hatte er einen Teil der Straße samt Gehweg im Blickfeld. Die ersten Nachbarn kamen von der Arbeit nach Hause. Zwei alte Männer mit Gehstöcken schlurften an seinem Grundstück vorbei. Automatisch hielt Astrella Ausschau nach Hunden, die sie begleiteten. Doch die beiden waren allein. Von irgendwo drang Kindergeschrei durch das Geäst der Laubbäume.
Nachdem ein Termin bei einem Kunden geplatzt war, für den der gesamte Mittag eingeplant gewesen war, hatte Astrella unerwartet Zeit. Kurz dachte er daran, sich nochmals mit Frau Klimnich über den Fall zu unterhalten. Möglicherweise erinnerte sie sich im Gespräch doch noch an etwas, das ihm weiterhelfen konnte. Jedoch war er schnell wieder von diesem Gedanken abgekommen, als er die Sonne heiß auf sich brennen spürte. Stattdessen war er zwei Stunden in den Flappachweiher gegangen. Und nun stand er hier in seinem Garten und dachte trotz allem an Frau Klimnich und ihren toten Mann.
Wenn nur dem Pudel nicht die Läufe abgeschnitten worden wären. Diese Einzelheit der Tat erschwerte die Suche nach dem Täter, insbesondere das Eingrenzen auf eine bestimmte Personengruppe. Alles schien auf irgendeinen Psychopathen hinzudeuten, und von dieser Sorte gab es inzwischen mehr als genug. Auch Städte wie Ravensburg oder Weingarten waren längst nicht mehr davor gefeit. In jedem steckte der Ansatz zu einem solchen, von der Normalität abweichenden Charakterzug; wie also die Person herausfinden, die ihn nicht mehr beherrschen konnte und ungehemmt auslebte? Schon in seiner Frankfurter Zeit hatten solche Fälle regelmäßig zu den schwierigsten gehört, die es zu lösen galt. Da half nur das geduldige Suchen nach einem bestimmten Schema, das von der Krankheit hervorgebracht wurde und den Täter zu seinem entsprechenden Verhalten zwang. Freilich war das mit der geduldigen Suche so eine Sache. Wer wollte schon warten, wenn es um Leben und Tod ging? Alle hatten Angst, weigerten sich oft genug schon, auch nur an den Tod zu denken. Deshalb war es nur allzu verständlich, dass Morde unmittelbar und gnadenlos an das eigene Leben und dessen Vergänglichkeit erinnerten und alle nach Aufklärung und Sühne verlangten.
Als Astrella im Haus das Telefon klingeln hörte, drehte er das Wasser ab und ging hinein.
11
Ein Schlag nur. Der Schrei erstirbt im Mund des Kindes, macht grenzenloser Überraschung Platz.
»Damit hast du nicht gerechnet,
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