Astrella 02 - Brudernacht
Auslöser für die Scheidung gewesen war.
Astrella wurde schlagartig klar, dass ihn eine Fortsetzung seines bisherigen Lebens auf Dauer nicht zufriedenstellen würde. Er müsste seine Einstellung ändern. An seinen Fähigkeiten lag es nicht. Sie zu ändern würde auch nicht möglich sein; jemand, der schwimmen konnte, konnte es nun mal eben. Und wenn sich seine Einstellung bisher vor allem durch Vernunft und Sachverstand ausgezeichnet hatte, galt es nun eben, unvernünftig zu sein und zu handeln. Er brauchte deswegen ja nicht gleich ohne Fallschirm vom Ravensburger Wahrzeichen, dem 51 Meter hohen Mehlsack, zu springen. Es ging einfach darum, etwas Neues und Ungewohntes in seinem Leben und für sein Leben auszuprobieren. Es musste etwas sein, das er machte, weil er es so wollte, und nicht, weil es irgendeine seelenlose Vorschrift und sein Verstand so verlangten. Und konnte es für dieses Vorhaben einen besseren Einstieg geben als diese Sache hier? Nein, und deshalb würde er nicht zur Kripo fahren, bevor er das in seiner Macht Stehende getan hätte. Und das hieß: Zum Gartenhaus Lydia Emmels fahren, dem angeblichen Treffpunkt der Bande, wo auch die Fesselungswerkzeuge sowie einiges Diebesgut sein sollte. Snake hatte sich lange gewehrt, ihm das zu sagen. Vermutlich fürchtete er sich vor den anderen.
»He, Mann, jetzt reden Sie doch endlich!«, versuchte Snake erneut, etwas aus ihm herauszubringen. Astrella konnte die Angst in seiner Stimme deutlich hören.
»Wenn Sie kein Bulle sind, wer sind Sie dann? Irgend so ein Macker, der alle Toten rächen will?«
»Mensch, Snakie, du hast aber eine tolle Phantasie«, entgegnete ihm Astrella anstelle einer Antwort.
»Ich will sofort zur Polizei! Ich habe ein Recht darauf.«
»Meinst du wirklich, Snakie, du hast noch irgendwelche Rechte? Welche Rechte hatten denn die junge Frau und ihr Freund?«
Snake schwieg und starrte zum Seitenfenster hin-aus.
»Komisch, ich höre gar nichts«, sprach Astrella weiter. »Aber ich werde dir zumindest sagen, was als Nächstes geschehen wird. Damit du siehst, dass ich dir alles glaube, was du mir vorhin erzählt hast, werden wir jetzt gemeinsam zu dem Gartenhaus fahren, das du mir beschrieben hast. Und was dann geschieht, nun ja, das kommt auch auf meine Stimmung an.«
Snake schien die Aussicht, nicht sofort sterben zu müssen, ein wenig zu beruhigen. Vermutlich rechnete er sich bei der Gartenhausbesichtigung noch irgendwelche Fluchtmöglichkeiten aus, aber diese Suppe würde er ihm gründlich versalzen. Sobald er sich das gestohlene Warenlager angeschaut und die Beweise zum Badeweiherverbrechen an sich genommen hätte, würde er mit Snake zu Zillmann fahren. Der würde staunen. Astrella spürte tief in seinem Inneren, welche Befriedigung es ihm bereitete, Snake neben sich schwitzen und um sein Leben zittern zu sehen. Da er ihn schon nicht töten und einfach in den nächsten Straßengraben werfen konnte, sollte Snake wenigstens noch so lange wie möglich in der Ungewißheit bleiben, ob er tatsächlich mit dem Leben davonkäme.
Astrella startete den Wagen, verließ den Rastplatz und fädelte sich in den Verkehrsstrom ein. Wenig später sah er im Rückspiegel zwei Motorräder auftauchen, eines davon mit Sozius. Als sie ihn Minuten später mit aufheulenden Motoren überholten, beneidete Astrella sie von ganzem Herzen.
28
Von den insgesamt fünf Räumen einschließlich einer kleinen Abstellkammer unten und dem Dachboden war das Wohnzimmer der einzige Raum, der einen einigermaßen gepflegten Eindruck machte. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass sich hier immer wieder Menschen aufhielten. Das bestätigten auch die Reifenspuren draußen vor dem Gartenhaus. Auf einer kleinen Lichtung inmitten des Walds stehend, hätte Astrella es eher als Waldhaus denn als Gartenhaus bezeichnet.
Der um das Grundstück gezogene Zaun bot keinen Schutz.
Astrella hatte Snake inzwischen die Hände auf den Rücken gefesselt und mit einer Schnur auch noch die Beine zusammengebunden, wodurch er ihm nur hüpfend folgen konnte. Er war sich nicht sicher, ob Snakes Keuchen nur von der damit verbundenen Anstrengung herrührte. Nachdem sie aus dem Auto ausgestiegen waren, hatte sich das anfängliche Fluchen alsbald in dieses Keuchen verwandelt.
Auf dem Wohnzimmerboden fielen Astrella sofort die großen braunen Flecken auf. Er versetzte Snake eine kräftige Ohrfeige, die ihn von der Zimmermitte gegen einen zwei Schritte entfernt an der Wand stehenden Tisch fallen
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