Astrella 02 - Brudernacht
haben.
»Außerdem habe ich von Anfang an gespürt, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt, als du in meinen Laden kamst. Meinst du wirklich, mir wären deine komischen Blicke nicht aufgefallen, die du ständig in Snakes Richtung geworfen hast. Oh ja, ich habe genau gesehen, wie es in deinem Schädel gearbeitet hat. Ich konnte dich gut beobachten, während du damit beschäftigt warst, mit irgendetwas klarzukommen.«
Astrella fühlte sich plötzlich nackt vor Slim, und das steigerte seine Wut in Hass.
»Endgültig Bescheid wusste ich aber erst nach dem Anruf. Weißt du noch: der Telefonanruf, als du mir deine Story von dem angeblichen Computerkauf aufgetischt hast?«
Obwohl als Frage gestellt, schien Slim an einer Antwort nicht interessiert zu sein, denn er sprach sofort weiter.
»Und rate mal, wer da angerufen hat: Jemand, den du kennst und den ich kenne. Und der erzählte mir die Geschichte von einem Privatschnüffler, der angeblich nach einem vermissten Köter sucht. Anfangs hat dieser jemand das sogar geglaubt. Doch als du wieder weg warst, ist er misstrauisch geworden und hat mir alles erzählt.«
Diese Mitteilung versetzte Astrella einen Schlag. Nach allen seinen Eindrücken, die er in der Unterhaltung mit Slims Mutter gewonnen hatte, hatte er damit nicht gerechnet. Warum hatte sie das getan? Die einzig vernünftige Erklärung war, dass sie von dem Verbrechen am Badeweiher wusste und ihren Sohn schützen wollte. Oder aber: Sie und Peter Alexander hatten etwas mit den Morden an Klimnich und Lemsack zu tun. Dann war ihr Verhalten einleuchtend. Sie musste schließlich damit rechnen, dass irgendwann irgendjemand sie auf die Verbrechen ansprechen würde. Im Nachhinein kam ihm diese ›Vermisster-Hund-Geschichte‹ selbst lächerlich vor. Dabei hatte er sich dazu nicht zuletzt deshalb entschlossen, weil er der alten Frau mit den vielen Sorgenfalten in ihrem Gesicht nicht einfach die Morde vorhalten wollte und das auch wegen der wenigen Anhaltspunkte gar nicht gekonnt hätte. Nein, diesbezüglich brauchte er sich beim besten Willen nichts vorzuwerfen.
Trotz seiner misslichen Lage fiel Astrella die Art und Weise auf, in der Slim von seiner Mutter als einem ›Jemand‹ sprach. Offenbar hatte Snake also doch nicht gelogen, als er behauptete, nichts von den Rentnermorden zu wissen. Damit war klar, dass Slim ihm den Knebel nicht abnehmen würde, da er, Astrella, die anderen sonst über die Morde aufklären konnte. In diesem Moment begriff Astrella, wer der geheimnisvolle PD. war.
Vor ihm tauchte ein Wald auf, der den halben Horizont säumte. Micha nahm Gas weg, um sich zu orientieren. Um alles in der Welt: Er durfte sich jetzt nicht verfahren.
Pfarrer Bertram Vosswinkel. Klimnich hatte seinen alten Freund schützen und ihm einen Namen beziehungsweise eine Abkürzung geben wollen für seinen Tagebucheintrag. Also hatte er einfach die Buchstaben für Preschingendorf verwendet. Pfarrer Bertram war der Vater von Slim, der in Wahrheit Peter Alexander hieß und beabsichtigte, die Morde Nummer drei und vier zu begehen. Warum Slim den alten Lemsack ermordet hatte, war sicherlich ohne Schwierigkeiten herauszufinden. Vermutlich hatte es mit dem Heim zu tun. Jedenfalls war sicher, dass Lemsack ihm etwas zugefügt hatte, das Slim nie vergessen hatte. Oh, was war er nur für ein Idiot gewesen, dass ihm das nicht früher eingefallen war. Aber die Information Frau Klimnichs, ihr Mann habe alle seine Patienten in Kürzelform bei seinen Tagebucheintragungen aufgeführt, hatte ihn auf die falsche Spur gelockt. Jetzt passte alles zusammen: Ein Pfarrer schwängert seine Haushälterin, ein junges, unerfahrenes Ding, das ihn wahrscheinlich geliebt hatte. Natürlich kann das nicht sein: ein katholischer Pfarrer, der Vater wird. Das kann heute nicht sein und konnte damals erst recht nicht sein. Klimnich, Freund von Vosswinkel und zugleich Hausarzt der Haushälterin, erfährt davon und leitet etwas in die Wege, was ihn persönlich schier zerreißt. Der Tagebucheintrag bewies …
Ein weiterer Schlag mitten ins Gesicht unterbrach seine Gedankengänge.
»He, hier wird nicht geschlafen! Und hier lebend wieder rauszukommen, kannst du vergessen.«
»Der Rest war dann ein Kinderspiel«, sprach Slim weiter. »Es war für mich einfach, deinen nächsten Schritt zu erraten. Du hast gedacht, du könntest mich behandeln wie ein Schachspieler die Figuren auf dem Brett. Praktisch so eine Art Schachspieler der Seele, ha ha. Dabei ist dir leider
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