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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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zählte. Schließlich gelangte die Kabine unten
an, und die beiden Türhälften schoben sich auseinander. Er trat ein, grübelte
ein paar Sekunden und drückte schließlich die Taste für das oberste Stockwerk.
Keine Garantie, dass Torn ganz oben war. Er würde die Etagen von dort aus nach
unten hin abklappern müssen. Immerhin beschränkte sich das Suchgebiet auf die
oberen acht Ebenen. Denn bis knapp darunter reichte die Ortung.
    Er grinste in sich hinein. Wie
blöd mussten McDunn und seine Männer sein, dass sie nicht auf den Library Tower
gekommen waren. Los Angeles größtes Gebäude maß gut tausend Fuß; das waren etwa
hundert Fuß höher, als die Peilung reichte. Außerdem erhob sich das Gebäude
kaum zehn Minuten von der Metrostation am Pershing Square entfernt.
    Während ihn der Fahrstuhl nach
oben brachte, entsicherte Rygor seine Pistole.

    Torn schlief so fest,
dass ihn das »Klingklang«, mit dem die Ankunft der Fahrstuhlkabine verkündet
wurde, nicht weckte. Der Ankömmling verließ den Fahrstuhl, schlich an den
anderen Lifttüren vorbei und zu ihm hin.
    Erst als er rüde gepackt und
hochgerissen wurde, erwachte Torn. Doch es war bereits zu spät. Ein kräftiger
Arm legte sich von hinten um seinen Hals und drückte zu.
    Der Blutmangel in seinem Kopf
ließ ihn schließlich bewusstlos werden.

    Fassungslos stand Rygor
vor der Ledercouch, auf der bis vor Kurzem noch ein Mensch gelegen haben
musste; der Abdruck des schweren Körpers war deutlich zu erkennen, das Leder
hatte sich noch nicht geglättet. Es konnte nur wenige Minuten her sein, dass
Torn – und Rygor war sicher, dass er es gewesen war – seine Schlafstätte
verlassen hatte. Hatte der Kerl Lunte gerochen und war geflüchtet?
    In diesem Moment hörte Rygor, wie
sich die Türen des Fahrstuhls, mit dem er gekommen war, schlossen. Eine böse
Ahnung trieb ihn zurück zu den Schächten, wo er hektisch den Rufknopf
betätigte, doch ein schneller Blick auf die Anzeigen bestätigte seinen
Verdacht: Nicht nur sein Fahrstuhl, nein, alle sechs Kabinen befanden sich auf
dem Weg nach unten. Wütend hieb er gegen die Tür. Es würde Minuten dauern, bis
eine der Kabinen seinem Ruf nach oben folgen würde. Torn hatte ihn einmal mehr
überlistet.
    Doch ging ihm auf, dass die Sache
auch eine gute Seite hatte. Er zog das kleine mobile Peilgerät aus seiner
Jackentasche und schaltete es ein. Sofort zeigte das Display jenen Ausschnitt
der gespeicherten Stadtkarte, in dem er sich gerade befand. Ein kleiner grüner
Punkt bewegte sich von Rygors Standort weg in östliche Richtung.
    Rygor ging zur Ostseite des
Gebäudes und starrte hinab auf die Straßen, die tief unter ihm lagen.
    Ich kriege
dich, mein Freund, dachte er. Verlass dich drauf …

    »Wach auf!«
    Torn schüttelte sich. Irgendetwas
zerrte an seinem Arm. Er öffnete die Augen und sah dicht über sich ein Gesicht,
doch es war unscharf und verschwommen. Er spürte bleierne Müdigkeit, die Augen
fielen ihm wieder zu und …
    Er erhielt eine kräftige
Ohrfeige.
    Der Schmerz vertrieb den Nebel in
seinem Hirn. Er blinzelte. Vor ihm kniete ein kleiner, drahtiger Mann in
dunklem Kampfanzug. Offensichtlich der, der ihn geschlagen hatte. Zwei
bernsteinfarbene Augen funkelten ihn an. Das blasse Gesicht war für das Alter
des Kerls viel zu faltig.
    Ein zweiter Mann hockte hinter
dem ersten, den Rücken gegen die Wand des kleinen, annähernd quadratischen
Raums gelehnt. Er hatte eine wollene Strumpfmaske über den Kopf gezogen. Die
Szenerie wurde nur durch eine kleine, funzelige Leuchte an der Decke erhellt.
Irgendeine Art von Aggregat brummte gedämpft und ließ den Boden unter Torn
sanft vibrieren. Es roch nach Benzin. Die an einem kleinen Sichtfenster links
von ihm vorbeiziehende Straßenbeleuchtung verriet ihm, dass sie sich in
irgendeinem rollenden Fahrzeug befanden.
    Torn setzte sich auf – und
merkte, dass seine rechte Hand in einer Handschelle steckte, deren Gegenstück
um eine Metallleiste am Boden geschlossen war. Die Kerle hatten ihn angekettet.
Schlechtes Zeichen. Wütend funkelte er die beiden Männer an.
    Sie tauschten einen kurzen Blick,
dann verzog sich der Mund des vor ihm Knienden zu einem breiten Grinsen. »Sorry,
aber wir können kein Risiko eingehen. Wie heißt du?«
    Torn überlegte. Ob die beiden
Polizisten waren? Der Raum sah nicht wie das Innere der Polizeiwagen aus, an
die er sich erinnerte, eher wie die Ladefläche eines zivilen
Transportfahrzeuges. Andererseits hatte ihn wahrscheinlich

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