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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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darum
schluckte er schwer.
    Doch McDunn war noch nicht
fertig. »Weißt du, das Schöne an einem Mann mit meiner Flughöhe ist, dass er
über ein Heer von Anwälten gebietet, das ihn aus jeder Scheiße wieder
herauszieht. Und wenn ihnen das nicht gelingt, muss ich mich eben mit meinen
Millionen in irgendein Land absetzen, mit dem die USM kein Auslieferungsabkommen
hat. Aber du, mein Freund, du bist der geborene Sündenbock. Ich höre schon
meine Rechtsverdreher sagen: ›Nein, Euer Ehren, diese Eigenmächtigkeiten, die
sich Mr. Holmes herausnahm, waren unserem Mandanten völlig unbekannt! In seiner
Gutmütigkeit hat er Mr. Holmes fälschlicherweise voll und ganz vertraut!‹ Am
Ende werden sie dich in dein kleines Reich zurückschicken, allerdings diesmal
ohne Gedächtnis, und ich wage mir gar nicht vorzustellen, was deine dortigen
Freunde dann mit dir anstellen werden.«
    McDunns geschildertes
Schreckensszenario verfehlte seine Wirkung nicht. Bei dem Gedanken, Asylon als
»Gelöschter« wiederzubetreten, packte Rygor nackte Panik. Niemand konnte
behaupten, dass er dort besonders viele Freunde hatte.
    Er würgte Angst und Ärger
hinunter und versuchte wieder nüchtern zu denken. »Okay, ich habe verstanden.
Sag mir einfach, wo sich dieser Typ jetzt aufhält, und ich kümmere mich um
ihn.«
    »Tja …« McDunn sog die Luft durch
die Zähne ein. »Ich fürchte, da gibt es ein kleines Problem. Er ist nämlich
verschwunden.«
    »Wie kann das sein?«
    »Keine Ahnung.« Der
Vorstandsvorsitzende von SecuCorp lehnte sich zurück. »Nach der Sache in der
Metrostation konnten ihn unsere Leute an den Monitoren noch eine Weile tracken,
wie er durch das Belüftungssystem entlang der Fünften nach Nordwesten kroch,
dann war er weg, einfach so. Seitdem ist er nicht wieder aufgetaucht.«
    »Hm …« Rygor verfiel ins Grübeln.
Das war nicht gut. War es möglich, dass Torn den Sender entdeckt hatte, den
jeder Flüchtling unweigerlich bei sich trug? Wie sollte er den Kerl dann jemals
finden.
    Auf einmal hatte er eine
Erleuchtung.
    »Sagtest du, Torn … äh … ich
meine Curtis bewegte sich vom Pershing Square nach Nordwesten?«
    »Ja.«
    »Wie weit reicht das Peilsystem?«
    »Wie meinst du das?«, fragte
McDunn ärgerlich. »Du weißt sehr genau, dass wir das ganze verdammte Stadtgebiet
abdecken.«
    »Nein, ich meine die Höhe.«
    McDunn runzelte die Stirn. »Die
Höhe? Keine Ahnung. Etwa neunhundert Fuß, glaube ich.«
    »Neunhundert, tatsächlich?« Rygor
grinste. »Ich denke, ich weiß, wo unser Freund steckt.«
    »Aber …«, begann McDunn.
    Doch Rygor drückte das Gespräch
weg und schaltete das Gerät ab. Sollte das Arschloch doch raten.

    Gierig schlang Torn die
Essensreste hinunter, die er im Kühlschrank gefunden hatte. Hühnchen mit Reis
und irgendeiner asiatischen Sauce. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das
letzte Mal ein derart intensives Geschmackserlebnis gehabt hatte. Leider war
das Zeug eiskalt. Er hatte eine Weile vor der Maschine gestanden, mit der man
es aufwärmen konnte, bis ihm schließlich deren Name wieder eingefallen war –
Mikrowelle. Doch das hatte ihm bei der Bedienung nicht viel geholfen, und
irgendwann hatte er es aufgegeben.
    Während er den letzten Bissen
seiner ersten Mahlzeit in achtundvierzig Stunden verschlang, besah er sich das
atemberaubende Panorama hinter dem Bürofenster. Zwei Sternenmeere. Eins am
Himmel und eins darunter, das wie die Spiegelung des ersten wirkte: die Lichter
der Stadt. In der Dunkelheit schienen beide am Horizont zu verschmelzen, als
würden Himmel und Erde nahtlos ineinander übergehen.
    Nach der Verfolgungsjagd, die
schließlich in der Metrostation geendet hatte, war er stundenlang durch enge
Lüftungsschächte gekrochen. Bei Anbruch der Dunkelheit hatte er sie verlassen
und unvermittelt vor diesem imposanten Gebäude gestanden. Sein Instinkt hatte
ihm gesagt, dass er dort oben sicher sein würde. Im Schutz der Dunkelheit war
er an der Außenmauer emporgeklettert und schließlich auf einer der obersten
Ebenen in ein unbeleuchtetes Büro eingedrungen; den Fensterrahmen aufzubrechen,
war mit den Stahlklauen ein Leichtes gewesen. Er beschloss, dort oben
auszuharren, bis sich der Staub, den er unzweifelhaft aufgewirbelt hatte, etwas
legen konnte. Er hatte mitbekommen, dass Freitag war, und er hatte sich
erinnert, dass die Menschen in dieser Welt am Wochenende in der Regel nicht zur
Arbeit gingen. Niemand würde also in den nächsten zwei Tagen dieses Büro

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