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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Poosah hatte schießen wollen. In einem Knäuel gingen die
beiden Männer zu Boden, während die Kugeln der anderen über ihre Köpfe hin- und
herpfiffen. Noch im Fallen sah Torn, wie Jack der Unterkiefer weggerissen
wurde.
    Dann schlug Torn auf dem Boden
auf. Für einen Moment drohte die Welt zu verschwinden, dann sah er wie durch
einen roten Schleier neben sich eine schwarze Gestalt aus der Erde wachsen.
Irgendetwas wurde auf ihn gerichtet.
    Eine Stimme erklang, fern und
verzerrt, wie durch einen Nebel: »Stirb endlich!«
    Sein Blick fiel in den Himmel, wo
in diesem Moment ein riesiger dunkler Schatten, groß wie ein Wal, über sie
hinwegschwebte. Ein gleichmäßiges Schlagen ertönte, so tief und mächtig, dass
man es mehr in den Knochen fühlen als hören könnte. Von überallher gellten
aufgeregte Schreie, doch Torn verstand nicht, was geschrien wurde. Weitere
Schatten folgten dem ersten. Kleine, aber unbarmherzig grelle Augen leuchteten
von ihren Schattennasen herab. Dann löste sich irgendetwas von den Schatten.
Myriaden kleiner Punkte schossen auf die Erde zu.
    Und die Welt explodierte!

    Nachdem, was sie im
Gouverneurspalast erlebt hatte, hatte Saïna gedacht, die Hölle bereits
kennengelernt zu haben. Doch das war ein Irrtum gewesen.
    Die Hölle war Feuer, das vom
Himmel regnete, an allem kleben blieb, was eine Oberfläche hatte, und es verzehrte,
hungrig und unerbittlich.
    Die Hölle war ein Himmel, erfüllt
mit tiefem Wummern, das der Welt sagen wollte: Du bist
nirgends sicher!
    Die Hölle war jemand, der sich
die Mündung seiner Pistole an die lichterloh brennenden Haare hielt und abdrückte,
um seinen Schmerzen ein Ende zu bereiten.
    Für Sekunden konnte sie den Blick
nicht abwenden von dem Mann oder was immer der Mensch gewesen war, bevor ihn der Feuerregen erwischt hatte; lodernd und noch immer
zuckend lag er am Boden. Erst dann fiel ihr Poosah ein. Sie riss das Mädchen
nach oben und an sich, drückte den Kopf der Kleinen in ihre Halsbeuge und
folgte Pedro, der sich direkt vor ihr befand und einen sicheren Weg durch das
Inferno suchte, den stöhnenden Torn auf den Schultern.
    Prasselnd schlug direkt hinter
ihr ein Feuerball ein und versenkte ihr die Waden. Doch die Flammen folgten ihr
nicht. Ringsum stand die ganze Welt in Flammen. Das mächtige alte Riesenrad
weit vor ihr hatte sich in einen gigantischen Feuerreifen verwandelt, der sich
vor dem schwarzen Nachthimmel drehte. Pedro wandte kurz den Kopf und rief ihr
etwas über die Schulter zu, doch das allgegenwärtige Tosen und Prasseln
verschluckte seine Worte. Egal. Mit dem zitternden Mädchen auf dem Arm hinter
ihm herzustolpern, war ohnehin alles, was sie in diesem Moment konnte. Wie er
es immer wieder schaffte, den Brandbomben und dem spritzenden Feuer
auszuweichen, wusste sie nicht. Fast hatte es den Anschein, als hätte der Herr
dieses Fegefeuers sie zu Zeugen seiner Zerstörungswut erkoren.
    Und dann – nach einer halben
Ewigkeit – drehten die Hubschrauber plötzlich ab und verschwanden hinter einer
Hügelgruppe. Ohne den permanenten Beschuss von oben beschränkten die Flammen
ihren Appetit im Wesentlichen auf Gebäude und Bäume. Pedro schwenkte auf eine
der Hauptstraßen des Parks ein, auf der sie einigermaßen sicher waren.
    Doch immer wieder sahen sie auch
hier verkohlte Bündel am Boden liegen, die man nur noch an den unbrennbaren
Teilen ihrer Kampfmonturen als das erkennen konnte, was sie einmal gewesen
waren.
    Schließlich wurden die Brände um
sie herum immer weniger. »Wohin laufen wir?«, rief Saïna.
    Ein Fehler.
    Sie spürte den Hustenanfall
kommen und konnte Poosah gerade noch rechtzeitig auf den Boden rutschen lassen.
Dann fiel sie würgend und keuchend auf alle viere. Es wollte ihr schier die
Brust zerreißen. Als sie endlich wieder die tränenden Augen öffnen konnte,
musste sie sich zunächst davon überzeugen, dass ihre Lunge nicht vor ihr auf
der Straße lag.
    Eine Hand legte sich auf ihre
Schulter.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Pedro
mit dem rollenden »R« des Latinos.
    Sie wischte sich den Speichel vom
Mund und nickte. Dann schaute sie zu Torn hinüber, den Pedro abgesetzt hatte
und der, den Rücken an einen alten Zaunpfahl gelehnt, am Boden hockte. Selbst
im Schein des Feuers hinter ihr sah er so blass aus wie ein Toter. Immerhin
brachte er ein gequältes Grinsen zustande und zwinkerte ihr zu.
    »Wir müssen dort rüber!« Pedro
wies auf eine weite, asphaltierte Fläche etwa fünfzig Yards vor ihnen, wohl

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