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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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verkneifen, einen Blick in die winzige Kaschemme
zu werfen, vor der sie stand. In dem rötlichen Halbdunkel hatte sich eine Kollegin
bereits ihres Kunden angenommen. Der Mann grinste Torn an, als sich ihre
Blicke trafen.
    Torn beschleunigte seine
Schritte. Immer tiefer drang er in die Eingeweide der Stadt ein. Das
Krankenhaus war eines der Gebäude aus der alten Siedlung, die hier schon vor
dem Klimasprung bestanden hatte und von der heutigen Stadt Schicht um Schicht
überwuchert worden waren.
    Allmählich änderte sich das Bild
der Gänge, durch die er sich bewegte. Keine Türen, nur noch Vorhänge aus buntem
Tuch oder aufdringlich glitzernden Lamettastreifen. Durch ein Fenster konnte
er in einen grell beleuchteten Raum blicken, in dem sich zwei Dutzend bärtige,
schwitzende Männer an kleinen schmutzigen Tischen über ihre Tavla-Partien
beugten. Die penetrante Süße von Shishas lag in der Luft. Von irgendwoher klang
ihm die leiernde Melodie einer Mizmar und dumpfes Trommeln entgegen.
    Schließlich erweiterte sich der
Gang zu einer kleinen Halle.
    Der Suq.
    Hier wimmelte es von Händlern und
Flaneuren. Tuchverkäufer, Silberschmiede, Korbmacher, Kesselflicker boten ihre
Waren und Dienste an. An einer Ecke drängten sich Schaulustige um die
Vorstellung eines Feuerspuckers.
    Riskantes
Vergnügen in dieser Enge.
    Torn schlängelte sich durch das
Gedränge, bis sich ihm eine schwere Hand auf die Schulter legte. Er blieb stehen
und drehte sich um.
    »Seht her Brüder! Es ist der
gefallene Held!«
    Vier, vielleicht fünf Männer.
Genau konnte er es nicht sagen, da sie hintereinander aufgereiht waren.
Allesamt ungeschlachte Berge aus Muskeln, deren Stränge bei jeder Bewegung
ihrer Besitzer unter der Haut hervortraten wie kleine Würmer. Gerötete
Gesichter unter geschorenen Glatzen, die Körper über und über tätowiert. Sie
stanken nach abgestandenem Schweiß.
    Mastons.
    Anders als die anderen
kriminellen Clans der Stadt hatten die Mastons keine festgefügte Hierarchie.
Sie folgten keinem Clanchef, sondern nur ihrem brutalen Codex. Der Anführer der
kleinen Truppe, dessen Gesicht vom ständigen Hormonmissbrauch so feist und rot
geworden war, dass es zu leuchten schien, richtete das Wort an Torn.
    »Ich kenne dich, Leveller Torn.
Oder sollte ich sagen Ex-Leveller?«
    Torn staunte einmal mehr über die
Geschwindigkeit, mit der sich schlechte Nachrichten in dieser Stadt verbreiteten.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich der Gewürzhändler, vor dessen Geschäft
sich die Szene abspielte, in das Innere seines Ladens zurückzog und die
Vorhänge schloss. Einige der Kaufleute an den umliegenden Ständen taten es ihm
gleich. Er konnte es ihnen nicht verdenken.
    »Ach, du kennst mich?«, fragte
Torn, um etwas Zeit zu schinden. »Und wo hatten wir das Vergnügen?«
    Der Feiste grinste und entblößte
dabei eine Reihe großer gelber Zähne, allesamt spitz zugefeilt, sodass sein
Mund wirkte wie der Schlund eines Haifischs. »Hast meinem Kumpel zwei Kugeln
verpasst. Hier, direkt zwischen die Augen.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf
die Stelle, als ob seine verbale Beschreibung irgendwie zu wünschen übrig ließ.
    »Was für eine Verschwendung«,
entgegnete Torn in bedauerndem Tonfall, um dann bedächtig hinzuzufügen: »Eine
hätte doch bestimmt gereicht.«
    Das Grinsen des Anführers
vertiefte sich. »Hast Sinn für Humor, was? Wird mir ein Vergnügen sein, ihn aus
dir rauszuprügeln.«
    Ohne Torn aus den Augen zu
lassen, zog er gemächlich einen Schlagring aus der Tasche und streifte ihn über
die Finger seiner Rechten. Sein Gefolge tat es ihm gleich.
    Die werden mir
den Schädel zu Brei schlagen. Höchste Zeit für ’ne
gute Idee.
    Sein Gegenüber ließ die
Fingerknöchel im Schlagring knacken.
    »Benutz mal für eine Minute dein
Resthirn, Fleischberg«, sagte Torn und tat ganz unbekümmert. »Wir stehen jetzt
quasi auf derselben Seite. Denk drüber nach.«
    Es war ein schwacher Versuch,
aber er zeigte dennoch Wirkung. Der Mann hielt inne und zog die Augenbrauen zusammen.
»Wie meinst du das, Kakerlake?«
    »Nun ja, die Clanchefs erkennen
euch und eure Gebietsansprüche nicht an. Ihr seit Außenseiter, genau wie ich.
Wir sollten uns zusammentun.«
    Für einen Moment schienen sich
hinter der niedrigen Stirn des Mannes tatsächlich ein paar längere Gedankengänge
abzuspielen, doch ein erneutes Zähneblecken verriet Torn, dass die kurze
Einkehr nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt hatte.
    »Ich denke drüber nach,

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