Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
Vom Netzwerk:
nachdem ich dir die Fresse zertrümmert habe, okay?«
    Der rechte Schwinger kam
ansatzlos, aber Torn hatte mehr als genug Vorwarnzeit gehabt und tauchte blitzschnell
darunter weg. Im Wegducken gelang es ihm sogar, einen kurzen Haken auf den
Rippen des Gegners zu platzieren, der aber wenig Wirkung zeigte. Immerhin warf
der eigene Schwung den Muskelberg in eine Kiste voll getrockneter
Johannisbrothülsen, aus der er sich schnaufend wieder herauszuwühlen versuchte.
Sofort machten zwei seiner Männer Anstalten, auf Torn loszugehen.
    Torn schätzte seine Chancen in
der sich anbahnenden Schlägerei ein. Zwar würde er es wegen der Enge des Gangs
kaum mit mehr als zwei von ihnen auf einmal zu tun bekommen, aber es gab keinen
Zweifel daran, dass er ihnen letztlich unterliegen musste. Eine Schießerei auf
dem immer noch dicht bevölkerten Suq kam nicht infrage. Und einfach weglaufen?
Er hatte es zwar sichtlich nicht gerade mit Sprintmeistern zu tun, aber er
konnte nicht abschätzen, zu welchen Höchstleistungen ihr künstlicher
Hormonpegel sie anzufeuern vermochte.
    Da landete seine linke Hand, mit
der er sich eigentlich nur hatte ausbalancieren wollen, in etwas Staubigem, und
er erkannte seine Chance. Torn griff in die trockene Substanz, riss eine
Handvoll davon nach oben und schleuderte sie den Mastons entgegen. Sofort waren
die Männer von einer roten Wolke eingehüllt, die ihnen zunächst einmal die
Sicht nahm. Sie brachen in wildes Wutgeheul aus. Befriedigt sah Torn, dass die
zwei vorderen die Wirkung des Chilipulvers noch verschlimmerten, in dem sie
versuchten, es sich mit den Fingern aus den Augen zu reiben.
    Er packte einen mannshohen Kerzenleuchter
und nutzte die Gelegenheit für ein paar wahllose Schläge in die vorübergehend
erblindete Gruppe. Knochen knackten. Als er überzeugt war, genug Schaden
angerichtet zu haben, ließ er den Ständer fallen und spurtete los. Schon nach
wenigen Schritten wurde die Menschenmenge wieder dichter. Schnell übertönten
die Geräusche des Suq die Schreie seiner zurückgebliebenen Gegner.
    Für dieses Mal war er
davongekommen …

    Etwa eine Viertelstunde
später stand Torn in der Geburtsstation des St. Niclas unversehens vor einem
leeren Bett. War er überhaupt an der richtigen Stelle? Die Raumteiler, die die
Illusion von Einzelzimmern hervorrufen sollten, machten die Station zu einem
Labyrinth aus halbdurchsichtigen Stoffbahnen. Doch dann fiel ihm eine kleine
Scherbe neben dem Beistelltischchen auf. Vor seinem geistigen Auge sah er
wieder die Vase, die bei seinem letzten Besuch von Yvettes Nachttisch gefallen
war. Hier hatte er sie gestern noch gesehen.
    Doch jetzt war das Bett
abgezogen, das Krankenblatt und jedes andere Detail, das auf seine Frau hätte
hindeuten können, entfernt. Abgesehen von der Scherbe sah es aus, als wäre sie
niemals hier gewesen. Doch er konnte sich kaum vorstellen, dass sie schon
entlassen worden war. Ob man sie verlegt hatte? Torn fühlte Beklommenheit in
sich aufsteigen, als ihm andere Möglichkeiten in den Sinn kamen, die alles
andere als erfreulich waren.
    Draußen vor dem Vorhang vernahm
er eine bekannte Stimme. Die Krankenschwester, die Yvette bei seinem letzten
Besuch die Beruhigungsspritze gesetzt hatte, unterhielt sich mit einem Arzt,
und als Torn hervortrat, erkannte er in dem Mediziner jenen Doktor, der ihn
über die Frühgeburt in Kenntnis gesetzt hatte. Als die beiden Torn bemerkten,
brachen sie das Gespräch abrupt ab, der Arzt drehte sich auf dem Absatz herum
und entschwand, während die Schwester so tat, als würde sie das Verbandszeug
auf dem Rolltisch vor sich ordnen. Torn setzte sich in Bewegung, um den Arzt
noch zu erwischen, bevor der im Labyrinth der Raumteiler untertauchen konnte.
    Er war wenig überrascht, als ihm
die Schwester den Weg verstellen wollte. Er stieß sie einfach beiseite und
ignorierte ihr Protestgezeter. Vor ihm verschwand der Kittel des Arztes immer
wieder hinter neuen Windungen. Torn verfiel in Laufschritt. Schließlich
gelangte er zu der Flügeltür, durch die er vor einigen Minuten die Station
betreten hatte. Das leichte Schwingen der beiden Türhälften verriet ihm, dass
jemand vor Kurzem die Station verlassen hatte. Schwungvoll stieß Torn sie auf,
stürmte hinaus …
    … und prallte unversehens in sein
Jagdobjekt.
    Der Arzt fuhr herum. Seine
kleinen Augen pendelten hektisch zwischen Torn und irgendeinem Fluchtpunkt hin
und her. Torn hatte in seinem Leben schon genug Amphetamin-Junkies gesehen, um
zu

Weitere Kostenlose Bücher