Asylon
dem altersschwachen Couchtisch stand, saß er bereits eine ganze Weile in
Torns Wohnung. »Sorry, Boss.«
Torn zuckte kurz zusammen, doch
nach allem, was an diesem Tag passiert war, hatte er nicht mehr die Energie,
sich auch noch über Scooter aufzuregen. Er wollte nur noch so schnell wie
möglich ins Krankenhaus, um bei dem wenigen Guten zu sein, das von seinem Leben
noch übrig war: Yvette. Sie hatte ihn um Hilfe angefleht, und er hatte sie
dieser Hyäne im Schwesternkittel überlassen. Inzwischen war ihm klar, dass er
einen fürchterlichen Fehler gemacht hatte. Ihre absurden Verdächtigungen
mochten die Ausgeburt ihres Traumas sein, aber das gab niemandem das Recht, sie
zu behandeln wie eine Verrückte. Er aber hatte genau das zugelassen. Scham
trieb ihm die Röte ins Gesicht, wenn er daran dachte. Er würde sie aus dieser
Hölle herausholen.
Aber vorher musste er das
wirbelnde Durcheinander eindämmen, das das Treffen der Clanchefs in seinem Kopf
verursacht hatte. Ein, zwei Gläser Whiskey waren genau das richtige Mittel
dafür.
»Es gibt großartige Neuigkeiten«,
sagte Scooter hinter ihm aufgekratzt.
»Interessiert mich nicht.« Er
senkte die Flasche über das am wenigsten schmutzige Glas auf der Theke. Das warme
Braun plätscherte einladend. Er fühlte Scooters Augen in seinem Rücken, und das
reizte ihn noch mehr. Nein, er war wirklich nicht in der Stimmung für
Gesellschaft.
»Ich hab die Freundin unserer
Leiche kennengelernt.«
Scooter machte eine
bedeutungsschwangere Pause, die Torn nutzte, um sich einen ersten kräftigen
Schluck zu gönnen. Es tat gut. Dann drehte er sich zu Scooter um. »Welche
Leiche?«.
»Na ja, die zerfetzte von der
Grenze. Ich hab zufällig eine Frau getroffen, die behauptet, sie gekannt zu haben.«
Torn spürte, wie in seinem Innern
eine mörderische Glut zu schwelen begann. »Jetzt hör mir mal zu, du Möchtegern-Super-Detektiv.
Meine Frau hatte heute Morgen eine Fehlgeburt, okay?«
Scooters Mundwinkel und Schultern
sackten nach unten. »Oh, das … Das tut mir wirklich leid«, stammelte er »Ich
meine … Ich hatte einfach vergessen, warum wir … äh … ich meine … Sorry.«
Torn erwiderte nichts. Was gab es
dazu schon zu sagen. Er kippte den Rest des Glases hinunter und schüttelte den
Kopf. Eine Weile lang herrschte Schweigen. Torn schenkte sich noch ein Glas ein
und hoffte im Stillen, Scooter würde von selbst auf die Idee kommen zu verschwinden.
Leider tat er das nicht.
»Aber, Boss«, bohrte sein
Assistent. »Diese Leiche … Es ist die einer Frau, und wie’s scheint, ist sie
ermordet worden, und Rygor wird den Fall einfach zu den Akten legen, wie er es
immer tut.«
Torn schloss die Augen und
spürte, wie er innerlich überkochte. Es war einfach zu viel.
Der Junge will
Ärger? Soll er haben!
»Jetzt hör mal zu, du
neunmalkluger Wicht«, presste er hervor. »Erst verliert meine Frau unser Kind,
dann suspendiert mich die Versammlung der Clanchefs und erklärt mich für
vogelfrei. Ich habe weiß Gott genug Probleme, auch ohne mich weiterhin mit
Rygor und seinen lieblichen Kumpels anzulegen.«
Verunsichert starrte sein
Assistent ihn an. Dass Torn, sein Chef, suspendiert worden war, konnte Scooter
noch nicht wissen. Sicherlich würde ihn diese Neuigkeit umhauen.
Tat sie nicht.
»Ich hab was Wichtiges über Ihre
Frau rausgefunden«, sagte er, als hätte er das, was Torn ihm eben eröffnet
hatte, gar nicht begriffen.
»Halt endlich die Klappe!«,
brüllte Torn.
Scooter war völlig verdattert.
»Ich wollte doch nur …«
»Ich frage mich mittlerweile
ernsthaft, ob es nicht ein Fehler war, dir heute Morgen an der Grenze den Arsch
zu retten.«
»Aber i-ich …«, stammelte
Scooter, dessen Gesicht dunkelrot anlief.
Torn, der kurz davor war, sich
auf ihn zu stürzen, drehte sich um und ballte die Fäuste.
»Zieh ab«, sagte er, ohne noch
einen Blick in Scooters Richtung zu werfen.
Er hörte Scooters Schritte hinter
sich, hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, und atmete auf. Endlich allein.
Endlich konnte er zu Yvette. Doch vorher brauchte er noch ein letztes Glas.
Yvette war außer sich,
völlig aufgelöst. Die Frau hatte sie einfach stehen lassen und war hinter der
nächsten Tür verschwunden. Warum wollte ihr nur niemand glauben? Sie hielt sich
ja bald selbst für verrückt.
Nein!
Sie würde diese Leute nicht damit
durchkommen lassen, und wenn sie das ganze Krankenhaus nach ihrem Kind
durchsuchen müsste!
Nachdem sie sich die Tränen aus
dem Gesicht
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