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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Er verfolgt mich anhand der
Geräusche.
    Die nüchterne Feststellung half
ihr, die Panik etwas besser zu kontrollieren. Sie hielt den Atem an, ging
langsam in die Hocke, ließ sich auf alle viere sinken.
    Ich kann ihn
mit seinen eigenen Waffen schlagen. Ich werde leiser sein als der Tod.
    Vorsichtig um sich tastend
verließ sie ihre Position, bewegte sich um eine Bahre herum, die quer in ihrem
Weg stand, schlich an einer zweiten entlang und hielt inne.
    Mein Herz. Es
schlägt wie eine Trommel.
    Sie verschränkte die Arme über
den Kopf, während sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen.
    Es ist gut, sagte sie sich. Das ist nur die Anspannung.
    »Warte, warte nur ein Weilchen …«
    Vielleicht drei Schritte neben
ihr. Saïna presste sich die Hand auf den Mund, um nicht laut loszuschreien.
    »… bald kommt der Schwarze Mann
zu dir …«
    Die Stimme kam näher.
    »… mit dem kleinen Hackebeilchen
…«
    Noch näher.
    »… macht er Schabefleisch aus
dir.«
    Seine Beine direkt vor ihren
Augen. Sie konnte sie nicht sehen, aber sie spürte sie. Fühlte ihre Wärme, das
Leben, das sie ausstrahlten. Ihr Instinkt übernahm erneut die Kontrolle.
Überrascht nahm sie wahr, wie sich ihre Arme auf einmal um seine Wade
schlangen, dann senkte sie ihre Zähne in den dünnen Stoff der Hose und biss zu,
biss so fest, wie sie noch nie in ihrem Leben zugebissen hatte. Er schrie,
wütete wie ein Tier, griff nach ihren Haaren, bekam sie aber nicht zu fassen. Irgendetwas
traf sie hart am Schädel, aber sie spürte keinen Schmerz.
    Was du kannst,
kann ich schon lange!, feuerte eine innere Stimme sie an.
    Blitzartig richtete sie sich auf,
griff um sich, fühlte etwas Kaltes, Weiches, schnappte danach, holte aus und …
    … schlug mit aller Gewalt zu!
    Ein erneuter Schmerzensschrei und
ein schepperndes Poltern. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, Adrenalin ließ
ihr Gesicht prickeln wie von tausend kleinen Nadelstichen. Ihr Verstand setzte
wieder ein, befahl ihr loszurennen, und sie rannte, alle Hindernisse aus dem
Weg stoßend und tretend.
    Und prallte heftig gegen etwas
Hartes.
    Die Wand.
    Benommenheit. Ein schwerer Nebel
unirdischer Finsternis senkte sich auf sie nieder.
    » WO BIST DU, DU SCHLAMPE? «
    Ihre Hand entwickelte ein
Eigenleben. Tastete an der Wand entlang …
    » DU GEHÖRST MIR, DU MIESE FOTZE! «
    Metall krachte ineinander. Er
kämpfte sich durch die Bahren in ihre Richtung. Sie hörte leblose Körper zu Boden
schlagen, die von den Bahren rutschten. Ihr blieben höchstens Sekunden. Ihre
Finger fuhren über die Wand, suchend, fühlend …
    Die Klinke. Saïna konnte einen
Schrei der Erleichterung nicht unterdrücken, riss die Klinke nach unten und
stieß mit der Schulter gegen das metallene Türblatt, während hinter ihr die
Bahren schepperten und sie noch immer Leichen zu Boden stürzen hörte.
    Das Licht blendete. Sie stand auf
dem Flur.
    Zur Treppe!, gellte es in ihr.

    Officer Swaggart saß
immer noch vor seinem Rechner und nahm die schier endlose Kette der
Beschwerden, Eingaben und Anzeigen auf. Sehnsuchtsvoll fiel sein Blick auf eines
der großen Fenster, die die Wand gegenüber auf der unteren Ebene des Raums in
regelmäßigen Abständen unterbrachen. Doch dort gähnten ihm nur die Mauern der
Nebengebäude entgegen, die in unverschämter Distanzlosigkeit zum Hauptquartier
standen. Er seufzte und nahm eine Vermisstenanfrage auf, als in einer Ecke
hinter ihm auf einmal ein kleiner Tumult entstand.
    Neugierig wandten er und alle
anderen die Köpfe. Aus einer dunklen Ecke schoss eine kleine Frau in den Saal.
Swaggart erkannte sie sofort wieder. Es war die, die ihn nach diesem Dusty oder
Darcy gefragt hatte. Eine hübsche kleine Nutte, nur dass ihre Haare jetzt
aussahen, als hätte sie ein Stromkabel angefasst, und aus einer Platzwunde an
ihrer Stirn war ihr Blut über die linke Gesichtshälfte gelaufen und zu einer
körnigen schwarzen Masse geronnen. Mit wildem Blick rempelte sie wortlos jeden zur
Seite, der ihr im Weg war. Ihr Ziel war die Tür nach draußen. Wütende Flüche
wurden ihr hinterher gerufen, als sie durch das Hauptportal verschwand.
    Ein paar Augenblicke war es im
ganzen Raum still.
    Dann begann ein erstes Wispern,
und auf einmal redeten alle durcheinander. Swaggart starrte immer noch entgeistert
auf die Tür, durch die die Frau nach draußen gelaufen war.
    »Hey, Mann! Wachen Sie gefälligst
auf!«
    Swaggart fuhr herum und
formulierte im Geiste schon die Zurechtweisung, die er gleich

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