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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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loswerden würde,
als sein Blick auf den Mann fiel, der auf einmal bleich und schwitzend vor ihm
stand. Swaggart erhob sich und salutierte.
    »Captain Rygor. Entschuldigung.«
    »Halt die Klappe!«, entgegnete
Rygor mürrisch. »Ich brauch eine Ersatzkarte für meine Tür! Sofort!«
    Swaggart griff nach dem Telefon.
Während er mit der Technischen Abteilung sprach, ließ Rygor den Blick über die
Menschen gleiten. Viele standen in Gruppen zusammen und diskutieren, was wohl
gerade vorgefallen war.
    »Was ist hier eigentlich
passiert?«, fragte er schließlich.

    Torn ließ sein
Feuerzeug aufschnappen und zündete das Foto an beiden Seiten an. Dann ließ er
es fallen. Erst langsam, dann immer schneller in die Tiefe trudelnd, verglühte
es schließlich irgendwo in der Finsternis des Schachts, vor dem er stand, auf
dem Dach seiner Wohnung.
    Er beugte sich zur Seite, langte
nach der Flasche Bourbon, nahm einen tiefen Schluck und stellte sie vorsichtig
wieder auf das wellige Schwarz der Dachpappe. Dann griff er in seine Beintasche
und zog ein weiteres Foto hervor.
    Yvette unter der Dusche. Er
erinnerte sich genau an ihren kleinen Wutanfall. Was willst
du damit? Es allen deinen Kollegen zeigen? Ihr seid doch alle gleich. Obwohl
er nie auch nur auf diese Idee gekommen wäre, hatte er ihr hoch und heilig schwören
müssen, das Bild nur für sich zu behalten. Dann erst hatte sie sich beruhigt,
und als sich ihr Zorn abkühlte und sie so nackt vor ihm stand, hatte er die
Gelegenheit am Schopf gepackt, dort in der heißen Enge des Badezimmers …
    Torn biss die Zähne zusammen,
schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und atmete tief ein. Dann zündete er
auch dieses Foto an. Es stieß auf dem Weg in die Tiefe gegen ein paar
verrottende Kabel auf der gegenüberliegenden Seite des Schachts und entschwand
dann mit rasender Geschwindigkeit, wie ein kleiner Komet.
    Er starrte eine Weile auf seine
Zehenspitzen, die über den Rand des Schachts hinausragten, und prüfte seinen
Stand. Nichts. Die Tiefe gähnte ihm entgegen, aber sie zog nicht an ihm.
    Noch nicht.
    Er nahm einen kräftigen Schluck
und legte den Kopf in den Nacken. Über ihm leuchtete das Sternenzelt. In der
Ferne überragte das Hauptquartier der Clanchefs die Außenhaut der Stadt wie ein
drohender Finger. Er musste lachen.
    Fickt euch,
ihr Diebe, ihr Vergewaltiger und Mörder. Ich gehöre euch nicht mehr.
    Noch vor einem Tag hätte ihn der
Gedanke, die Gunst der Clanchefs zu verlieren, panisch werden lassen. Nun
empfand er nichts als Befreiung. Mit wildem Schwung prostete er dem dunklen
Turm zu und ließ sich den Whiskey dann die Kehle herunterrinnen.
    Halb erstaunt stellte er fest,
dass er sich wieder genau wie damals fühlte, als er in dieser Welt aufgewacht
war, ohne klare Erinnerung daran, wie er den Surge überlebt und die Grenze
überwunden hatte. Monatelang war er als Bettler durch die Gedärme der Stadt
gestreift, hatte aus Mülltonnen gegessen und auf Treppen geschlafen. Bis er ihm eines Tages über den Weg gelaufen war.
    Vanderbilt, Gouverneur und
Polizeichef, mit seiner Entourage unterwegs zu irgendeinem Treffen. Was ihn
dazu bewogen hatte, den abgerissenen Kerl aufzulesen und unter seine Fittiche
zu nehmen, wusste Torn noch immer nicht. Vielleicht diese fast beunruhigende
Ähnlichkeit, die viele, die sie nicht kannten, hatte vermuteten lassen, dass
sie miteinander verwandt waren. Vanderbilt hatte ihn zu den Levellern gebracht,
und Torn hatte sich als bestens geeigneter Protegé erwiesen. Der Gouverneur
hatte ihm den Weg nach oben geebnet, bis er schließlich seine eigene, fünf Mann
starke Truppe befehligte. Niemand schien das glücklicher zu machen als Yvette.
    Es war, als ob seine Karriere ihr
half, den größtmöglichen Abstand zwischen sich und ihr altes Leben zu bringen.
Als er sie kennengelernt hatte, war sie Abteilungssekretärin in Rygors Truppe
gewesen. Damals hatte sie den Ruf gehabt, mit jedem in die Kiste zu springen,
der ihr einen Ausweg aus ihrer trostlosen Existenz versprach. Torn hatte keine
Ahnung, inwieweit diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen, aber es war ihm egal
gewesen. Yvette war die Erste, die ihm in seinem neuen Umfeld ohne Neid und
Vorbehalte begegnete, während er für die meisten anderen anfänglich nichts als
der Pudel des Gouverneurs gewesen war.
    Er zog ein weiteres Foto aus der
Beintasche. Im Abenddämmer, der nur hier und dort von den Lichtern der Stadt
aufgehellt wurde, brauchte er eine Weile, bis er das Bild erkannte.

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