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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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tauchte unvermittelt sogar vor seiner Wohnungstür
auf, in der Erwartung, der Kontakt zum zukünftigen Supreme-Leveller könnte
seiner Karriere irgendwann förderlich sein.
    Torn hatte seine letzten
Alkoholvorräte geplündert, alles, was vom Vortag noch übrig war, und eine
Stunde später lag Blair besinnungslos betrunken auf seinem Sofa, in Unterhosen.
Mit Blairs Uniform und Dienstausweis war es ein Leichtes gewesen, im Archiv auf
Aktensuche zu gehen. Torn war es um Transgressionen in den letzten drei Jahren
gegangen. Sie alle waren für die vermeintlichen Eindringlinge tödlich geendet.
Er stieß auf sechsundfünfzig entsprechende Fälle und studierte vor allem die
Fotos in den Akten. Das Ergebnis war geradezu erschütternd.
    In gut neun von zehn Fällen
meinte er Hinweise darauf zu erkennen, dass sich die Opfer von innen nach außen
bewegt hatten, also raus aus der Stadt statt umgekehrt. Mal war es die Lage
der Leiche, mal bestimmte Kleidungsstücke oder sonstige Dinge, die auf eine
Herkunft aus der Stadt hindeuteten. In keinem der Fälle waren diese
Widersprüchlichkeiten irgendwem aufgefallen und in den Akten vermerkt. Nach
Torns Meinung kein Wunder, wenn man bedachte, dass ausnahmslos all diese Fälle
von ein und demselben Polizisten bearbeitet worden waren …
    Rygor.
    All diese
Menschen kamen von drinnen, und du hast sie dennoch als Transgressionen
eingestuft . Warum? Dummheit? Nein! Du bist zwar ein
verbohrter, machtgeiler Wichser, aber sicher kein Idiot. Hattest du was zu
vertuschen? Vielleicht. Aber wenn ja, was? Eine Grenzverletzung von innen wäre
durchaus aufsehenerregend, aber sicherlich nichts, woraus man ein Staatsgeheimnis
machen muss. Es sei denn, die Toten waren eben nicht Opfer ihrer eigenen
Geistesstörung, sondern du hattest dabei irgendwie deine dreckigen Finger im
Spiel. Aber warum solltest du diese Menschen in den Tod treiben? Was ist dein
Motiv?
    Torn konnte es sich nicht
erklären. Fest stand, dass Rygor ein Sadist war, allerdings einer, dem sein
eigener Vorteil viel zu wichtig war, als dass er das Risiko eingehen würde,
einen Menschen aus purer Mordlust zu töten. Trotzdem war Torn überzeugt davon,
dass Rygor sein Mann war. Warum sonst hätte er das alles vertuschen sollen?
    Torn grübelte. Vielleicht ging es
um Geld. Was hatte seine ungebetene Besucherin, diese Saïna irgendwas? Was
hatte sie gesagt? Ihre Freundin Lynn Lidell war überzeugt davon gewesen, es gäbe
ein mysteriöses Paradies in der Außenwelt, und genau dorthin hatte sie
offenbar gelangen wollen. Was, wenn sich Rygor als eine Art Führer für solche
Leute anbot, für Geld? Torn glaubte zwar nicht, dass Lynn Lidell über ein
größeres Vermögen verfügt hatte, das über das hinausging, was sie zum täglichen
Leben brauchte, aber wer konnte sagen, wozu Leute fähig waren, wenn ihrer
Meinung nach das Paradies winkte. Rygor hatte also möglicherweise Geld von
diesen Menschen erhalten. Aber wofür genau? Was hatte er ihnen dafür angeboten?
    Vielleicht machte Rygor ihnen
weis, sie gegen die Minen irgendwie immun machen zu können. Vielleicht gab er
ihnen irgendetwas mit. Aber was?
    Unversehens kam ihm etwas in den
Sinn, dass er nicht greifen konnte, etwas, das er jüngst gesehen hatte, etwas …
Kleines. Er zermarterte sich den Kopf, aber es wollte ihm nicht einfallen. Zu
viel war in den letzten Tagen geschehen.
    Der Brückenbogen, den er befuhr,
erreichte seinen Zenit. Sobald er diesen überquert hatte, so wusste er, würde
vor ihm Scooters kleiner Container auftauchen. Von dort aus waren sie an jenem
denkwürdigen Morgen zur Grenze aufgebrochen. Es kam ihm vor, als wäre das schon
Jahre her. Sein ganzes Leben war in der Zwischenzeit auf den Kopf gestellt
worden. Erneut wurde ihm bewusst, dass er so gut wie alles verloren hatte, was
ihm bis dahin etwas bedeutet hatte. Er würgte die Traurigkeit herunter.
    Keine Zeit für
Wehklagen und Selbstmitleid.
    Noch wenige Meter, bis das Niveau
der Brücke, das an der höchsten Stelle etwa zwölf Meter über der Stadtoberfläche
betrug, wieder in sanftem Bogen absinken würde. Die Sonne stand genau vor ihm.
Doch irgendetwas stimmte nicht mit der gleißenden Scheibe. Es war, als würde
sie etwas teilen. Ein Graben. Ein schwarzer Strich. Oder …
    Eine Rauchsäule!
    Eine böse Ahnung, ein wortloses
Bauchgefühl trieb ihn, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Unter ihm erzitterte
das morsche Blech des Gliders von den Vibrationen des Aggregats. Während er
sich dem höchsten Punkt

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