Asylon
riesigen Raum neben sich zu wissen, einen
gefährlichen Abgrund an seiner Seite zu haben. Torn bog um eine Ecke …
Und prallte in einen Riesen.
Für eine Sekunde glaubte Torn,
gegen eine leblose Statue gestoßen zu sein, so felsengleich unverrückbar stand
die mächtige Gestalt in seinem Weg. Er stolperte ein paar Schritte rückwärts,
bevor er zum Stehen kam. Dann erkannte er sein Gegenüber. Es war jener mächtige
pelzbehangene Kerl, den er beim Treffen der Clanchefs gesehen hatte, jener
Mann, den man den »Goten« nannte. Der Kopf des Goten war wie immer unter einem
röhrenförmigen Helm verborgen, der nur einen waagerechten Sehschlitz auf
Augenhöhe aufwies.
Für ein paar Sekunden standen
sich die beiden im Zwielicht des Ganges gegenüber, eine Mannslänge zwischen
sich, die Blicke fest ineinander verkrallt. Der Geruch von Benzin lag in der
Luft. Torn dämmerte, dass dies kein zufälliges Zusammentreffen war.
Sputano hat
ihn geschickt, um mir den Rest zu geben, erkannte er.
Er maß seine Chancen ab. Seine
Dienstwaffe hatte er abgeben müssen. Also hatte er dem Hünen nichts wirklich
Handfestes entgegenzusetzen. Die Enge der Gasse, in der sie sich befanden,
bedeutete vielleicht einen leichten Vorteil für den kleineren Torn, da der
Riese hier kaum Platz hatte, die mächtige Streitaxt, die an seinem Gürtel
baumelte, zum Einsatz zu bringen. Aber Torn machte sich angesichts des
Kräfteverhältnisses keine Illusionen darüber, wer am Ende der Verlierer eines
direkten Kampfes sein würde.
Umdrehen und
weglaufen?
Der Kerl war zu nah. Dann fiel
Torn der Void ein.
Blitzartig wirbelte er herum und
sprang auf gut Glück in die eine halbe Mannslänge breite Lücke. Gottlob fanden
seine Hände Halt an einem alten Rohr. Links und rechts von ihm lösten sich
kleinere Brocken aus dem Mauerwerk und polterten in die Tiefe. Hier im Dämmer
frei zu klettern war ein hohes Risiko, aber er hatte keine Wahl. Hinter sich
hörte er lautes Brüllen, aber was immer der Riese schrie, es ging im Lärm der
nach unten fallenden Steine unter. Torn nutzte jede Unebenheiten im Mauerwerk,
um nach oben zu klettern, und bald hatte er zwei Meter zwischen sich und das
Deckenniveau der Gasse gebracht. Normalerweise nutzten die Leveller für solche
Aktionen ihre »Klauen«, doch auch ohne diese Hilfsmittel waren seine Muskeln
durch das jahrelange Training entsprechend gedrillt. Wenn sein Glück für heute
noch nicht aufgebraucht war, würde sich der Void wenige Stockwerke über ihm zu
einer weiteren Gasse öffnen.
Unter ihm glänzte der Umriss des
Helms, als der Gote den Kopf in den Void steckte.
Torn griff über sich, bekam ein
aus der Wand ragendes Metallstück zu fassen, griff zu und verlagerte sein Gewicht.
Da krachte es.
Das Metallstück, eine
abgebrochene Strebe, löste sich aus der Wand, und Torn spürte, wie sein Körper
nach hinten zu kippen begann.
Verzweifelt warf er einen Arm
hinter sich zur anderen Seite des Voids, doch der Freiraum war an dieser Stelle
breiter, und so griff er ins Leere.
Der Mauervorsprung, auf dem sein
linker Fuß stand, bröckelte unter der erhöhten Last und gab schließlich nach.
Irgendetwas prallte mit brutaler
Härte gegen seinen Hinterkopf.
Mit Klauen
wäre das nie …
Bevor der den Gedanken zu Ende
bringen konnte, verließ das Bewusstsein seinen stürzenden Körper.
Rygor blickte auf die
Klauen, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Wirklich verwunderlich, dass sich
niemand an ihrer technischen Ausgereiftheit störte. In einer Stadt, in der
handkurbelbetriebene Radios und Gaslampen den Stand der Technik repräsentierten,
hätten diese Dinger eigentlich jeden zum Grübeln bringen müssen.
»Jones!«, rief er einem seiner
neuen Untergebenen zu. »Zeig mir, wie man die Dinger anlegt.«
Langsam erhob sich der
grobschlächtige Kerl von dem Hocker, auf den er sich gesetzt hatte, um seine
Füße für die Klauen zu tapen, und begab sich zu Rygor. Sein Widerwillen entging
Rygor nicht. Polizei und Leveller waren Konkurrenten. So war das eben. Er würde
sich den Respekt seiner neuen Mannschaft erst noch verdienen müssen. Nun, der
Einsatz an diesem Tag, von ihm selbst initiiert, würde dazu eine gute erste
Gelegenheit bieten. Er konnte sich nicht verkneifen, einen bewundernden Blick
auf Jones’ außergewöhnlich kräftige Rumpfmuskulatur zu werfen, typisches
Kennzeichen aller Leveller.
Jones tapte Rygors rechte Hand
und forderte ihn auf, es an der Linken nachzumachen. Es gelang Rygor auf Anhieb.
Danach
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