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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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bestanden«, sagte sie. Ihre Stimme
tremolierte unkontrolliert. »Er sagt, Sie und er würden sich kennen.«
    »Oh.« Jetzt erst schien
Vanderbilt ihn überhaupt zu bemerken. Er sah alles andere als erfreut aus. »Was
willst du?«
    Torn musste schlucken. So schnell
konnte sich alles ändern. Vanderbilt war nie ein besonders zuvorkommender
Mensch gewesen. Im Gegenteil, seine auffälligste Charaktereigenschaft war ein
beißender Sarkasmus gepaart mit dem augenscheinlichen Gefühl, jedermann
überlegen zu sein. Aber das galt nicht nur Torn gegenüber, der allerdings
bisher immer das Ohr des Gouverneurs gehabt hatte.
    »Ich muss mit dir über Rygor
reden.«
    »Warum?«, entgegnete Vanderbilt,
von dem immer noch lediglich der Kopf und eine Hand sichtbar waren.
    »Nun, da gibt es mehrere Gründe.
Aber einer davon ist zum Beispiel, dass er Scooter hat umbringen lassen. Du
weißt schon, den Assistenten, den mir die Clanchefs zugeteilt haben.«
    »Er ist tot?«, fragte Vanderbilt
und runzelte die Stirn.
    Torn nickte.
    »Jammerschade. Was gibt es sonst
noch?«
    »Hör mal, müssen wir das zwischen
Tür und Angel besprechen? Können wir nicht in dein Büro gehen?«
    Vanderbilt schüttelte heftig den
Kopf. »Ich habe einen Gast.«
    »Soll ich warten?«
    Der Gouverneur bedachte ihn mit
einem resignierten Blick, als ob er sich gerade innerlich von irgendetwas
verabschiedet hätte. Dann sagte er müde: »Bleib kurz da. Ich vertröste meinen
Gast, und wir unterhalten uns in der Vorhalle.«
    Er verschwand wieder hinter der
Tür. Torns Blick fiel auf die Sekretärin, die weiß wie eine Wand und zitternd
auf ihrem Stuhl saß.
    Hinter der Tür erklang eine laut
geführte Debatte. Torn mühte sich, zu verstehen, was da beredet wurde, aber die
Tür dämpfte die Worte zu sehr. Dann Stille. Einige Sekunden später wurde die
Tür wieder geöffnet, Vanderbilt trat heraus und zog Torn an der Sekretärin vorbei
durch das Portal in die Halle. Er begann durch die Säulen zu wandern, und Torn
blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Selbst von hinten war Vanderbilt
eine imposante Erscheinung. Dunkel wie Torn, aber von hagerer Größe und einem
geradezu unnatürlich aufrechten Gang. In dem altertümlichen Mantel, den er nur
selten ablegte, wirkte er wie der Würdenträger irgendeiner obskuren Religion.
    »Worum geht es?«, fragte er über
die Schulter hinweg, und das tiefe Echo seiner Worte hallte durch den Saal.
    »Rundheraus: Ich brauche einen
Durchsuchungsbeschluss!«
    »Du bist kein Leveller mehr!«
    »Dann schick einen meiner
Mitarbeiter.« Torn räusperte sich und korrigierte sich dann: »Ex-Mitarbeiter.«
    »Einen Durchsuchungsbeschluss
wofür?«
    »Für die dienstlichen und
privaten Räume von Dr. Grosse vom St. Niclas.«
    Vanderbilt blieb stehen und
drehte sich zu ihm um. »Dem Chefarzt?«, fragte er ungläubig.
    Torn bestätigte.
    Vanderbilt brach in lautes
Gelächter aus. Die Säulen vervielfältigten es sogleich tausendfach; bald klang
es, als ob das ganze Gemäuer Torn verhöhnte.
    »Niemals«, sagte Vanderbilt
schließlich.
    »Aber ich habe den Verdacht, dass
er Yvette auf dem Gewissen hat«, protestierte Torn. »Es gibt Hinweise, dass er
so eine Art Kinderhandel betreibt. Wahrscheinlich hat er auch mein Kind
entführt. Und das hat Yvette in den Tod getrieben, falls er nicht selber die
Hand dabei im Spiel hatte.«
    »Kinderhandel? Und wohin verkauft
er sie?«
    »Das weiß ich noch nicht«,
gestand Torn.
    »Hast du irgendwelche Beweise?«
    »Dafür brauche ich ja den
Beschluss«, sagte er ärgerlich.
    Vanderbilt hob die Arme. »Ich
soll ohne jeglichen handfesten Anhaltspunkt einen Durchsuchungsbeschluss gegen
einen der mächtigsten Ärzte in dieser Stadt ausstellen? Du musst verrückt
sein.« Er trat auf Torn zu und legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Ich
rate dir, lass die Finger von diesem Mann, hörst du? Du bist suspendiert. Es
ist ein Wunder, dass du überhaupt noch lebst. Außerdem, selbst wenn du noch im
Amt wärst … Durchsuchungen sind Sache der Polizei.«
    Er ließ Torn wieder los und ging
weiter.
    »Übrigens«, fuhr er leichthin
fort, »Rygor ist jetzt Anführer der Leveller.«
    Torn traf fast der Schlag.
»Rygor? Er ist ein Killer! Er hat Scooter auf dem Gewissen! Wie konntest du
ausgerechnet ihn berufen?«
    Vanderbilt drehte sich wieder um
und starrte ihm geradewegs ins Gesicht. Torn fröstelte. Ihn hatte dieser Blick
schon immer nervös gemacht. In diesen Momenten schien es, als ob die
Jovialität, die

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