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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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nachts.«
    »Nein«, protestierte die Kleine
und stampfte mit dem Fuß auf. »Das ist nicht fair!«
    »Poosah!« Saïna bedachte sie mit
einem unmissverständlichen Blick.
    »Immer, wenn es spannend wird.
Bei Mami hätte ich bestimmt bleiben dürfen«, schimpfte das Mädchen leise.
Schmollend zog sie sich in ihr Zimmer zurück und warf die Tür hinter sich zu.
    »Ist sie nicht deine Tochter?«,
fragte Sean, nachdem sich beide etwas von dem Schnaps eingeschenkt hatten, den
ein Nachbar von Saïna in seiner Wohnung brannte.
    »Nein«, antwortete sie. »Ihre
Mutter ist eine von denen, die an der Grenze gestorben sind. Sie war meine
beste Freundin.«
    Er sog die Luft laut ein. »Ich
verstehe. Deswegen suchst du also nach dem Ordo Lucis.«
    »Richtig. Ein Bekannter von der
Polizei hat mir das Nazar gegeben. Es wurde bei ihrer Leiche gefunden. Ich
hatte von vornherein den Verdacht, dass sie gestorben ist, weil sie irgendeinem
Betrug aufgesessen war. Ich will herausfinden, was wirklich dahintersteckt.«
    »Dann willst du in Wirklichkeit
gar nicht nach draußen?«
    Saïna schüttelte unwillig den
Kopf. »Hör mal, ich will ja nicht deine Gefühle verletzen, aber ich glaube
nicht an diesen Paradies-auf-der-anderen-Seite-Quatsch.«
    »Verstehe.« Er lehnte sich zurück
und nickte langsam. Etwas an seinem Gesichtsausdruck irritierte Saïna, brachte
irgendeine lange aufgestaute Frustration zum Überkochen.
    »Was?«, polterte sie aufgebracht.
»Warum schaust du mich jetzt so an, als müsste man mit mir Mitleid haben.«
    Neben ihr donnerte etwas
rhythmisch gegen die Wand.
    »Halt die Klappe, Tranh. Immerhin
muss ich mir auch dauernd das Lustgeschrei deiner kleinen Schlampe anhören!«,
brüllte sie. Dann sah sie, dass Poosahs Zimmertür einen Spalt offen stand, und
erhaschte den ertappten Blick eines kleinen Augenpaares. Seufzend stand sie
auf, schloss die Tür und ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen.
    »Die Welt dort draußen gibt es
wirklich. Du kannst dich nur nicht daran erinnern«, sagte Sean leise. »Wir
wurden alle manipuliert zu glauben, dies hier wäre die letzte Zuflucht, aber
bei einigen hat die Manipulation nicht gewirkt oder später an Wirkung verloren,
sodass die Erinnerung zurückkommt. Ich nehme an, so war es auch bei deiner
Freundin.«
    Er machte eine kurze Pause, wie
um das Gesagte bei ihr sacken zu lassen. Saïna wollte gerade zum Widerspruch
ansetzen, als er wieder das Wort ergriff.
    »Denk doch mal nach. Woher kommt
eigentlich das Material, aus dem deine Kleidung besteht? Oder der Tabak für
deine Zigaretten? Hast du schon mal irgendwo Tabakplantagen gesehen?«
    Saïna sah ihn mit großen Augen
an. Waren das nicht Fragen, die sie sich auch hin und wieder stellte, die in
ihren Gedanken aufblitzten, um dann aber sogleich wieder verdrängt zu werden,
als würde sich etwas in die Tiefe ihres Unterbewusstseins zurückziehen? Es war,
als wollte irgendetwas in ihr diese Fragen nicht zulassen, ja, nicht einmal die
Erinnerung daran, dass sie sie gestellt hatte.
    Aber auf einmal kam das alles
hoch. Nahrungsmittel wie Getreide und Fleisch, die in der Stadt niemand herstellen
konnte, oder eben Tabak, den niemand in der Stadt anbaute. Die Waffen und
Munition der Clans. Die Ausrüstung der Polizei. Die seltsamen Klauen, die sie
bei den Levellern gesehen hatte. Musste das nicht von irgendwo herkommen? Sie
merkte, wie ihr von all den Fragen schwindlig wurde, als ob sich die Welt um
sie herum aufzulösen begann. Sie konnte … sie wollte diesen Weg jetzt nicht
gehen.
    »Wie schon gesagt«, erwiderte sie
müde, »dieser ganze Quatsch interessiert mich nicht. Ich will nur wissen, was
mit Lynn passiert ist.«
    »Na schön«, sagte er. »Das ist
nämlich genau das, was ich und meine Leute auch in Erfahrung bringen wollen.
Aber dazu brauchen wir dich.«
    »Wie meinst du das?«, fragte
Saïna misstrauisch, in der ein böser Verdacht aufkeimte.
    Sean beugte sich mit
Verschwörermiene über den Tisch. Der Vorschlag, den er ihr dann unterbreitete,
bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen.

    Torn bog erneut in
einen kleineren Seitengang ein. Er bewegte sich durch kleine Hintergassen und
Nebentreppen auf das St. Niclas zu. Das dauerte zwar ewig, aber auf diese
Weise wurde er von weniger Leuten gesehen. Trotzdem warf er immer wieder einen
besorgten Blick über die Schulter, jedes Mal halb in der Erwartung, einen
großen, dunklen Schatten mit einer schweren Axt zu sehen.
    Vierundzwanzig Stunden hatte
Sputano ihm gegeben, um einen

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