Aszendent Blödmann
ich Kai laut nach, als es draußen an der Zimmertür klopfte. Wer konnte das zu dieser späten oder vielmehr frühen Uhrzeit sein? Ich hatte nichts bestellt – zumindest erinnerte ich mich nicht daran –, der Zimmerservice schied also aus. Vielleicht hatte Conrad es ja vor Sehnsucht nicht ausgehalten und war uns nachgereist? Leicht schuldbewusst dachte ich an meinen Traum. Wenn Conrad und ich miteinander ins Bett gingen, fegte nicht gerade ein Orkan der Leidenschaft über uns hinweg, unser Sex war mehr wie eine warme Sommerbrise. Belebend und wohltuend. Bislang war ich damit voll und ganz zufrieden gewesen. Warum hatte ich also plötzlich so merkwürdige Träume? Und warum spielte ausgerechnet Kai darin die männliche Hauptrolle?
Es klopfte erneut. Hastig schlüpfte ich in den flauschigen weißen Hotelbademantel, der an einem Haken im Badezimmer hing. Nun sah ich aus wie Knut der Eisbär.
Als ich die Zimmertür öffnete, war ich plötzlich mit einem Schlag wieder hellwach. Vor mir stand Kai. Barfuß und mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Den Anzug hatte er gegen Jeans und T-Shirt eingetauscht, in der Hand hielt er eine Zahnbürste. Warum in aller Welt spazierte der Mann um diese Uhrzeit mit einer Zahnbürste durch das Hotel? Moment mal, er dachte doch wohl nicht allen Ernstes …? Na, der traute sich was! Bis vor ein paar Minuten hatte er noch ungeniert mit Ilka herumgeflirtet, und nun wollte er sich als Übernachtungsgast bei mir einquartieren. Von meinem Traum konnte er schließlich nichts ahnen. Oder hatte ich womöglich im Schlaf gestöhnt oder laut gesprochen?
Kai warf die Zahnbürste in die Luft und fing sie mit einer geschickten Handbewegung wieder auf. »Sie können sich sicher vorstellen, was ich Sie fragen möchte.«
Bei so viel Dreistigkeit blieb mir fast die Luft weg. Dieser Schmalspurcasanova machte sich noch nicht einmal die Mühe, seine Absichten zu verbergen. Meine Wangen glühten. »Sie … Sie halten sich wohl für absolut unwiderstehlich, was?!« Ich schüttelte aufgebracht den Kopf und schnaubte verächtlich. »Ein Geschenk Gottes an die Frauenwelt. Sie glauben wohl, Sie brauchen nur mal kurz mit Ihrer Zahnbürste zu wedeln, und schon ist die Sache geritzt. Aber ich sag Ihnen jetzt mal was: Ich werde ganz bestimmt nicht mit Ihnen in die Kiste springen. Und überhaupt: Haben Sie sich verlaufen? Warum stehen Sie hier vor meiner und nicht vor Ilkas Tür?«
Kai verzog keine Miene. »Ihr Zimmer war näher.«
Ehrlichkeit war ein schöner Charakterzug, den ich im Allgemeinen an meinen Mitmenschen sehr zu schätzen wusste. Aber es gab Ausnahmen. Dass der Kerl sich nicht schämte! So viel Unverfrorenheit hatte ich noch nie erlebt! »Sie schrecken wohl vor gar nichts zurück. Erst schmeißen Sie sich der Personalchefin an den Hals, und dann …«
»Der Oberboss war ja schon besetzt. Außerdem stehe ich nicht so auf Kerle«, unterbrach Kai mich schlagfertig. »Ehrlich gesagt weiß ich auch gar nicht, warum Sie sich so aufregen.« Erneut hielt er mir seine blaue Zahnbürste entgegen. »Ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob Sie mir mit etwas Zahnpasta aushelfen können. Ich habe meine Tube zu Hause vergessen.«
»Oh.« Konnte der liebe Gott nicht ein Einsehen haben und den Boden unter mir auftun?! Nur für ein bis zwei Sekunden? Ich würde mich auch ganz bestimmt beeilen und blitzschnell verschwinden. Kai wollte keinen Sex, sondern Zahnpasta von mir. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder beleidigt sein sollte.
Kapitel 19
W enn ich ehrlich war, hatte ich anlässlich unseres zweiten Jahrestages ein romantisches Candle-Light-Dinner erwartet. Doch in Conrads Wohnzimmer konnte ich keine einzige brennende Kerze entdecken, ja nicht einmal ein popliges Teelicht. Vielleicht waren Conrad die Streichhölzer ausgegangen. Auch von Blumen fehlte jede Spur. Dafür duftete es aus der Küche bereits verführerisch. Wahrscheinlich verzichtete Conrad absichtlich auf das ganze romantische Brimborium, um die Überraschung nicht zu verderben. Ich gönnte ihm den Spaß von Herzen, spielte weiter den Hasen, der von nichts wusste, und setzte mich an den hübsch gedeckten Esstisch.
Nachdem Conrad eine Flasche Rotwein geöffnet hatte, tischte er die Lasagne und ich ihm ein paar kleine Notlügen auf. Da wir, seit ich aus Salzburg zurück war, noch keine Gelegenheit gehabt hatten, in Ruhe miteinander zu reden, wollte er nun haarklein von mir berichtet bekommen, wie es gelaufen war. Der geschäftliche Teil
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