Aszendent Blödmann
dem Boden entdeckte. Der Einfachheit halber steckte ich ihn schnell in meine Jackentasche. Im Rausgehen warf ich Kai eine Kusshand zu. »Bleib ruhig liegen, ich finde allein raus.«
Vielleicht war mir Kais verdatterter Gesichtsausdruck entgangen, weil ich zu sehr mit den Knöpfen meiner Bluse beschäftigt gewesen war. Oder meine Hormone, die schmollten, weil ich ihnen keinen Nachschlag gegönnt hatte, spielten mir einen Streich. Auf jeden Fall blieb der erwartete Triumph aus. Stattdessen wurde ich von einer tiefen Traurigkeit übermannt. Ich stieg in mein Auto, ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken und begann hemmungslos zu schluchzen. Mit dem Feind zu schlafen war wohl doch keine so gute Idee gewesen. Statt einfacher hatte der Sex mit Kai alles nur noch komplizierter gemacht.
Kapitel 22
M ann, Mann, Mann, ich hätte wissen müssen, dass der Schuss nach hinten losging! Wie war ich bloß auf den Gedanken gekommen, dass es mir gelingen würde, Sex – wie ein paar Kniebeugen oder Liegestützen – als etwas rein Körperliches anzusehen und die Gefühle dabei aus dem Spiel zu lassen? Anstatt Kai endlich aus meinem Kopf zu verbannen, ging der Kerl mir nun gar nicht mehr aus dem Sinn! Möglicherweise hatte ich insgeheim gehofft, dass Kai und ich im Bett nicht miteinander harmonieren würden, dass das Ganze ein Flop oder ein riesiges Desaster werden würde …
Beim Gedanken, Kai gleich im Büro gegenübertreten zu müssen, begann mein Magen zu rebellieren. Das flaue Gefühl, das mich bereits seit dem Aufwachen begleitete, hatte sich auf der Fahrt zum Hotel sogar noch verstärkt. Ich überlegte, wie ich das Zusammentreffen noch ein wenig hinauszögern könnte. Vielleicht sollte ich mal wieder auf der Baustelle des Kinderparadieses nach dem Rechten sehen? Oder bei Marianne vorbeischauen, um nachzuhören, ob Ilka noch ein paar Extrawünsche für das Jubiläumsfest geäußert hatte? Wovon auszugehen war, denn die große Feier, die bereits in wenigen Tagen stattfinden sollte, rückte näher und näher, und Ilka bombardierte mich fast stündlich mit irgendwelchen Spezialaufträgen.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich an der Rezeption über ein paar herrenlose Gepäckstücke stolperte, die offenbar darauf warteten, auf ein Zimmer gebracht zu werden. Mit einem unterdrückten Fluch rieb ich mir meinen schmerzenden Knöchel. Komisch, irgendwie kamen mir die beiden blauen Koffer und die passende Reisetasche bekannt vor. Aber wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein, denn auf den ersten Blick sahen die Gepäckstücke, die Tag für Tag durch das Hotel geschleppt wurden, doch eh alle gleich aus.
»Ach, Mel, gut, dass du endlich kommst«, begrüßte mich Verena, die gerade den Telefonhörer aufgelegt hatte. »Dein Besuch ist da.«
»Mein Besuch?«, echote ich verdattert. Das musste ein Irrtum sein. Ich erwartete keinen Besuch.
»Deine Eltern sind vor einer halben Stunde hier eingetroffen.«
»Meine Eltern?«
Ach, du heiliger Bimbam! Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Warum hatten sie mir denn nicht vorher gesagt, dass sie mich besuchen wollten?! Dann hätte ich sie gleich in meine Wohnung lotsen können. Conrad, Kai – das Hotel war das reinste Tretminenfeld! So schnell mein angeschlagener Knöchel es zuließ, hastete ich in Richtung Hotelbar.
»Halt!«, rief Verena hinter mir her.
Ich bremste aus vollem Lauf und kehrte widerstrebend zum Empfang zurück. »Was ist denn noch?« Nun mach schon, Mädel, betete ich innerlich. Jede Minute zählt!
»Ach, ist das schön. Du kannst es wohl kaum erwarten, deine Eltern wiederzusehen«, freute sich Verena, gerührt über so viel Familiensinn. »Aber das ist die falsche Richtung. Deine Eltern warten nämlich nicht in der Bar, sie waren so schrecklich neugierig auf dein Büro, da habe ich sie schon mal nach oben geschickt.«
Konnte man an einer Überdosis Adrenalin eigentlich sterben? Obwohl mir der Tod in Anbetracht der Situation nicht einmal die schlechteste Lösung zu sein schien … Neugierig auf mein Büro? Dass ich nicht lache! In Wirklichkeit hatten meine Eltern es wahrscheinlich kaum erwarten können, dem neuen »Freund« ihrer Tochter auf den Zahn zu fühlen. Aber noch bestand Hoffnung. Vielleicht war Kai ja auch noch gar nicht im Büro aufgekreuzt, oder Yvonne hatte meine Eltern abgefangen und sie im Konferenzraum mit Getränken bewirtet.
Leider hatte ich nicht so viel Glück. Als ich völlig außer Atem und mit Angstschweiß auf der Stirn die Bürotür aufriss,
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