Aszendent Blödmann
beobachtet.«
»Wenigstens brauchen Sie sich über versteckte Kalorien keine Gedanken zu machen. Die fünf Millionen Kalorien, die Sie am Tag zu sich nehmen, machen sich gar nicht erst die Mühe, sich zu tarnen.« Gespielt gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. »Aber bitte – wenn Sie meinen, dass Sie sich das leisten können.«
»Eigentlich nicht.« Kai strich sich mit einem besorgten Stirnrunzeln über seinen kaum sichtbaren Bauchansatz. Doch einen Augenblick später grinste er schon wieder und biss genüsslich in einen der Schokoladenkekse, die Yvonne ihm auf einem kleinen Tellerchen serviert hatte. »Aber es kann nicht schaden, sich hin und wieder ein bisschen das Leben zu versüßen. Oder wie sehen Sie das?«
»Bisher hatte ich das nicht nötig. Sie hingegen scheinen sich damit auszukennen. Vielleicht sollten Sie sich den Zucker der Einfachheit halber intravenös verabreichen.«
»Puh, sind Sie garstig.« Kai nippte an seiner Kaffeetasse. »Allerdings kann ich es Ihnen nicht einmal verübeln, dass Sie über mein Auftauchen nicht gerade begeistert sind.«
Nicht begeistert? Das war die Untertreibung des Tages!
»Aber da ich nun schon mal da bin, sollten wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Glauben Sie mir: Ich bin auch nicht gerade glücklich drüber, dass wir uns um den Job schlagen müssen. Allerdings fällt mir so ad hoc nur eine Lösung für das Problem ein.« Er bedachte mich mit einem Lächeln, das er wohl für besonders charmant hielt.
»Ich sehe, langsam verstehen wir uns.« Gespielt freundlich lächelte ich zurück. »Da ist die Tür. Glauben Sie, Sie finden allein raus?«
So ein Schaukelpferd-Jockey! Und überhaupt: Wer von uns beiden war denn hier der große Marketingprofi? In puncto Kreativität hatte ich ihm offenbar einiges voraus. Mir fielen nämlich spontan sogar noch jede Menge mehr Möglichkeiten ein, wie sich das Problem schnell und einfach aus der Welt schaffen ließe: Man könnte einige Tropfen Arsen in Kais Kaffee träufeln, die Tastatur seines Computers unter Strom setzen, die Bremsschläuche seiner Penisverlängerung durchtrennen … und … und … und. Einmal in Fahrt gekommen, war mein Einfallsreichtum kaum zu bremsen.
Im Gegensatz zu meinen morbiden Fantasien war Kais Lösungsvorschlag zwar vergleichsweise harmlos, aber trotzdem an Frechheit kaum zu überbieten: »Ich habe nicht vor, das Feld zu räumen. Aber warum verzichten Sie nicht einfach auf den Posten?«
Nur meine gute Erziehung hielt mich davon ab, ihm einen Vogel oder – schlimmer noch – den ausgefahrenen Mittelfinger zu zeigen. »Kein Problem. Und wenn Sie möchten, überschreibe ich Ihnen auch gerne mein Sparbuch und meine Lebensversicherung.« Meine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Kann ich vielleicht sonst noch etwas für Sie tun?«
Kai legte die Finger an die Stirn und tat, als würde er angestrengt nachdenken. »Ja, wenn Sie schon so direkt fragen. Ich muss mal für kleine Königstiger.«
»Wie schön für Sie.« Irritiert zog ich die Augenbrauen in die Höhe. »Und was habe ich damit zu tun? Soll ich Ihnen vielleicht dabei behilflich sein?«
»Das wäre überaus freundlich.« Kai stand auf und ging zur Tür. Dort blieb er abwartend stehen. »Wenn Sie mir zeigen könnten, wo sich die Toiletten befinden, und mich bei der Gelegenheit vielleicht auch noch durch den Rest des Hotels führen würden.«
Typisch Ilka! Dass ausgerechnet ich den Neuen unter meine Fittiche nehmen sollte, war vermutlich reine Schikane oder ein Test, wie ich mit der Situation umgehen würde. Besser, ich kümmerte mich ein wenig um ihn, sonst würde sich Kai bestimmt bei seiner neuen Chefin beschweren. Auf so eine Steilvorlage wartete er sicher nur. Zähneknirschend willigte ich ein, Kai zuerst das stille Örtchen und dann das Hotel zu zeigen.
Vor den Herrentoiletten blieb ich stehen. »Viel Erfolg! Ich nehme an, ab hier finden Sie sich allein zurecht.«
»Falls ich Hilfe brauche, rufe ich nach Ihnen.«
Offenbar war alles glattgegangen, denn kurze Zeit später stand er bereits wieder vor mir. Der Verwaltungstrakt mit den Büros befand sich im obersten Stockwerk des Hotels. In den unteren vier Etagen waren die Gästezimmer und Suiten untergebracht. Den Wellness- und Fitnessbereich, der nachträglich angebaut worden war, erreichte man von der Hotellobby aus durch eine Art Unterführung.
Wir begannen mit der Hotelbesichtigung im Zentrum des Geschehens, dort, wo alle Fäden zusammenliefen: am Empfang. Verena, die
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