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Aszendent Blödmann

Aszendent Blödmann

Titel: Aszendent Blödmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Mädchen völlig unbefangen ihre Sportsachen auszogen und dabei fröhlich schwatzend und lachend in Unterwäsche herumhüpften, versuchte ich verzweifelt, meine Speckpölsterchen vor neugierigen Blicken und bissigen Bemerkungen zu schützen. Ebenso gut hätte Christo versuchen können, den Eiffelturm mit einem Taschentuch zu verhüllen – ein schier aussichtsloses Unterfangen. Doch an diesem Tag schenkte niemand meinem schwabbeligen Bauch oder den stämmigen Oberschenkeln Beachtung. Obwohl mir das ausnahmsweise sogar lieber gewesen wäre.
    »Hey, Leute, hört doch mal. Ich hab hier etwas, das euch sicher interessiert.« Carola sprang auf die Bank der Mädchenumkleide und wedelte mit einem zartgelben Blatt Papier in der Luft herum.
    Ich erkannte den Briefbogen sofort. Panik stieg in mir auf. Meine Hände wurden feucht, und mein Herz pochte wie ein Presslufthammer gegen meine Rippen. »Gib das her! Du bist gemein.« Ich versuchte, Carola das Blatt aus der Hand zu reißen, doch sie hielt es grinsend über den Kopf. »Der Brief ist nicht für dich. Gib ihn her«, schluchzte ich verzweifelt.
    »Aber, aber! Es wäre doch schade, unseren Mitschülerinnen so wundervolle Lyrik vorzuenthalten.« Eine Hand theatralisch gegen die Brust gepresst, las Carola mit salbungsvoller Stimme: »Für Kai«. Dann begann sie das Gedicht, das ich natürlich längst in- und auswendig kannte, vorzutragen.
    »Weißt du, ich will mich schleichen
leise aus lautem Kreis,
wenn ich erst die bleichen
Sterne über den Eichen
blühen weiß.
    Wege will ich erkiesen,
die selten wer betritt
in blassen Abendwiesen –
und keinen Traum als diesen:
Du gehst mit.«
    Die letzten Worte waren im allgemeinen Gekicher fast untergegangen. Nachdem Carola geendet hatte, wurde gejohlt und gepfiffen. Vor allem die Mädels aus Carolas Clique taten, als würden sie sich vor Lachen in die Hose machen. Nicht einmal Charlotte gelang es, die Hühnerschar zum Schweigen zu bringen.
    Vor Scham wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Noch nie zuvor hatte ich mich so bloßgestellt und gedemütigt gefühlt! Heiße Tränen rannen über mein Gesicht. Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich kämpfte gegen einen heftigen Würgereiz an. Wie dumm von mir! Anstatt die Übelkeit zu unterdrücken, hätte ich Carola lieber von oben bis unten vollspucken sollen. Das hätte ihr vermutlich auch dieses überhebliche Grinsen aus dem Gesicht getrieben.
    »Stille Wasser sind tief. Wer hätte gedacht, dass unsere Anastasia Gedichte schreibt?«
    »Das ist nicht von mir. Das ist von Rilke!«, machte ich mit zitternder Stimme einen hilflosen Versuch, mich zu verteidigen. Ein Wunder, dass ich es überhaupt gewagt hatte, vor versammelter Mannschaft den Mund aufzutun.
    »Die Rilke kenne ich nicht. Außerdem ist das deine Handschrift.« Diese dusselige Kuh hatte nicht einmal gewusst, dass Rilke ein Dichter war. Sie mochte sich auf ihre 90–60–90 vielleicht was einbilden, aber von diesen drei Werten entsprach bestimmt keiner ihrem IQ. Jede Kaulquappe hatte mehr Grips als diese dümmliche Barbiepuppe! Am liebsten hätte ich sie von der Bank runtergeschubst und ihr jedes ihrer langen blonden Haare einzeln ausgerupft.
    Aber noch viel wütender als auf Carola war ich auf Kai. Was für ein Scheißkerl! Ich hatte meinen ganzen Mut zusammengenommen und das handgeschriebene Gedicht in einem unbeobachteten Moment heimlich in sein Mathebuch gesteckt. Anstatt mein Liebesgeständnis einfach nur zu ignorieren oder mir zu sagen, dass er nicht das Gleiche für mich empfand, hatte er meinen Brief Carola, dieser alten Hexe, gegeben und mich so zum allgemeinen Gespött gemacht. Warum? Warum hatte er das bloß getan?! Wie niederträchtig musste man sein, auf den Gefühlen eines anderen Menschen so herumzutrampeln? Noch dazu, wo ich wochenlang die Drecksarbeit für ihn erledigt hatte. So durch und durch böse konnte er doch gar nicht sein. Hatte ich mir etwa nur eingebildet, dass er in mich verliebt war? Waren all die tiefen Blicke und flüchtigen Berührungen nur Teil seines manipulativen Spiels gewesen? Hatte er mich nur aus purer Berechnung geküsst? Hatte er sich dabei womöglich sogar insgeheim über mich lustig gemacht? Dieser Gedanke war zu schmerzhaft, um ihn zuzulassen.
    Nach der Sportstunde, in der großen Pause, blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als den Tatsachen ins Auge zu sehen. Auf der Mädchentoilette wurde ich Zeuge einer Unterhaltung, die meine letzten Hoffnungen behutsam wie eine

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