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Aszendent Blödmann

Aszendent Blödmann

Titel: Aszendent Blödmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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endlich das Weite zu suchen, angelte er sich einen Schokokeks von dem Teller, den ich für das Kaffeekränzchen mit Charlotte bereitgestellt hatte. Nun konnte man Kai aber nicht vorwerfen, dass er nicht wusste, was sich gehörte. Selbstverständlich holte er vorher – wenn auch nur pro forma – mein Einverständnis ein.
    »Ich darf doch, oder?« Das »oder« am Satzende diente lediglich zur Dekoration. So wie die zwei kleinen Erdbeeren, die ich malerisch neben den Keksen drapiert hatte und die längst in seinem Mund verschwunden waren. Typisch Kai. Er hatte sich wirklich kein bisschen verändert. Dieser egoistische Mistkerl nahm sich einfach, was er haben wollte.
    Bevor er sich auch noch über die Schale mit den Gummibärchen hermachen konnte, bekamen wir Gesellschaft. »Das war vielleicht ein Stinker, den Ben in die Windel gesetzt hat. Ich wünschte, meine Verdauung würde auch nur annähernd …« Mitten im Satz brach Charlotte ab.
    Oh Gott, die beiden hatte ich ja komplett vergessen. Mist! Vor Aufregung bekam ich Schluckauf. Nun würde meine Tarnung auffliegen. Kai musste nur noch eins und eins zusammenzählen.
    »Hey Charly, das gibt’s doch gar nicht.« Kai sprang von seinem Stuhl auf. »Mensch, das ist ja vielleicht ein Ding! Also, Zufälle gibt’s manchmal.«
    Offenbar war der Kerl noch dämlicher, als ich gedacht hatte. Von Charlottes Anwesenheit in meiner Wohnung Rückschlüsse auf mich zu ziehen schien ihm überhaupt nicht in den Sinn zu kommen. Mir sollte es recht sein. Ich warf Charlotte einen warnenden Blick zu – in der Hoffnung, dass sie geistesgegenwärtig genug war, sich nicht zu verplappern. Während meine Freundin Kais stürmische Umarmung über sich ergehen ließ, zog sie ein Gesicht, als hätte sie Zahnschmerzen.
    »Tja, das Leben steckt eben voller Überraschungen.« Charlottes Tonfall ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie Kai der Überraschungskategorie Steuernachzahlungen und Autopannen zuordnete. Nur Kai selbst schien davon nichts zu bemerken.
    »Mein Gott, wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben? Fünfzehn Jahre?«
    »Dreizehn«, korrigierte Charlotte ihn einsilbig.
    »Was hast du denn nach dem Abitur so getrieben?«
    »So dies und das.« Im Vergleich zu Charlotte war eine Auster ein offenes Wesen. Aber das hielt Kai nicht davon ab, ihr weiter ein Gespräch aufzuzwingen.
    »Was ›dies‹ ist, sehe ich ja. Der Kleine ist wirklich zum Knuddeln.«
    Ehe Charlotte protestieren konnte, hatte Kai ihr Ben aus dem Arm gerissen und ließ ihn wie ein Flugzeug mit lautem »Brumm, brumm, brumm« durch die Luft kreisen. Auf und ab, auf und ab … Im Gegensatz zu seiner Mama fand Ben das offenbar sehr lustig. Angefeuert durch das Babyjauchzen, setzte Kai nun sogar zu einem halsbrecherischen Looping an. Aber leider vertrug Ben, obschon er keine Flugangst hatte, das Kreisen durch die Lüfte nicht besonders gut. Ehe Kai wusste, wie ihm geschah, ergoss sich ein Schwall halb verdauter Milch auf sein T-Shirt. Braver Ben, lobte ich mein Patenkind im Stillen. Der Typ ist aber auch wirklich zum Kotzen …
    Ein leicht säuerlicher Geruch stieg mir in die Nase. Kai schien davon überhaupt nichts zu bemerken. »Was war das damals auf dem Gymi eine tolle Zeit«, seufzte er mit glänzenden Augen. Ach, ja? Alles eine Frage der Perspektive. Meine Erinnerungen deckten sich nicht einmal annähernd mit seinen.
    Und auch Charlotte hatte die eine oder andere Gedächtnislücke. »Kannst du dich noch an Herrn Hasenkötter erinnern?«, wollte Kai von ihr wissen, während er mit einer Hand halbherzig an seinem vollgespuckten T-Shirt herumrieb. Zu meinem und zu Charlottes Leidwesen hatte er es sich in den Kopf gesetzt, gemeinsam mit seiner alten Klassenkameradin ein bisschen in vergangenen Zeiten zu schwelgen. Ob die nun wollte oder nicht …
    »Hasenkötter? Wer soll das sein?«
    Mensch, Charly! Entweder sie stellte sich absichtlich doof, oder es handelte sich hier um einen akuten Fall von Stilldemenz. Ich musste mich schwer zusammenreißen, um mich nicht zu verraten, denn allein die Erwähnung des Namens reichte, um ein breites Grinsen auf mein Gesicht zu malen.
    Herr Hasenkötter war in der Oberstufe unser Physiklehrer gewesen. Seine chaotischen kleinen Versuche hatten unseren Schulalltag um ein Vielfaches spannender gemacht. Obwohl es ihm trotz aller Bemühungen und unter Androhung von Strafe nicht gelungen war, physikalische Gesetze in unsere Gehirnzellen einzuschleusen, so hatten wir bei

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