Aszendent Blödmann
aber umso bestimmter mitteilen wollte, dass er sich diese Mühe sparen konnte – eher würde ich mich auf ein Date mit Hannibal Lecter als mit Kai Hoffmann einlassen –, bekamen wir Besuch.
Seit Kai mir gegenüber seinen Schreibtisch bezogen hatte, war es aus und vorbei mit der Ruhe. Ein Taubenschlag war ein ruhiges, beschauliches Plätzchen im Vergleich zu unserem Büro. Die Kollegen gaben sich die Klinke in die Hand. Alle naselang kam jemand hereingeschneit, um einfach nur Hallo zu sagen, ein kleines Schwätzchen zu halten oder Kai um Hilfe zu bitten.
Dieses Mal war es Gina, eine Mitarbeiterin aus dem Fitnesscenter, die ein Problem mit ihrem Auto hatte. »Der Auspuff scheppert so komisch. Könntest du vielleicht mal eben …?«
Klar konnte er. Schwupp, schon war auf und davon. Wann gedachte der gnädige Herr denn mal zu arbeiten? Egal, mir sollte es recht sein. Zum Glück ging es bei der Neubesetzung des Abteilungsleiterpostens nicht nach Sympathiepunkten, sondern nach Leistung. Zumindest hatte ich diese Hoffnung noch nicht vollends begraben. Ein Grund mehr, richtig Gas zu geben. Mit Feuereifer stürzte ich mich in die Arbeit.
Mein Konzept, das anfangs nicht mehr als eine vage Idee gewesen war, begann langsam, aber sicher nicht nur in meinem Kopf, sondern auch auf dem Computerbildschirm Form anzunehmen. Ich hatte es »Kultur pur« getauft. Wie der Name schon sagte, richtete es sich an kulturell interessierte Menschen, die im Urlaub nicht bloß Ruhe und Entspannung suchten, sondern auch ihre zahlreichen Interessen pflegen wollten. Ich bastelte an einem Arrangement, das zusätzlich zu Übernachtung und Verpflegung auch noch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm umfasste. Lesungen, eine Weinprobe, eine Vernissage, vielleicht ein Theaterabend, Konzertbesuch oder Ähnliches – eine Schlossbesichtigung war ebenfalls in der engeren Auswahl. Ein Komplettpaket zu einem günstigen Preis, das auch allein reisenden Menschen die Möglichkeit bot, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten.
Ich war gerade so richtig schön in Fahrt gekommen, da klingelte mein Handy. An der Rufnummer auf dem Display erkannte ich, dass es sich bei dem Anrufer um meine Mutter handelte. Einen Moment war ich versucht, das Bimmeln einfach zu ignorieren, doch erfahrungsgemäß brachte das gar nichts. Meine Mutter würde so lange die Wahlwiederholungstaste betätigen und die Mailbox von meinem Handy zutexten, bis sie mich mürbe gemacht hatte. Also konnte ich ebenso gut gleich an den Apparat gehen. »Hallo Mama, schön, dass du anrufst«, log ich. »Wie geht’s euch denn so?«
»Oh, prächtig«, flötete meine Mutter durchs Telefon. »Die Rosen im Vorgarten blühen, dass es eine Pracht ist. Und der Wohltätigkeitsbasar letztes Wochenende war auch ein voller Erfolg.«
Während meine Mutter über handgetöpferte Serviettenringe und selbst gehäkelte Eierwärmer schwadronierte, fragte ich mich, wie sie von dem Wohltätigkeitsbasar wohl die Kurve zu dem Thema bekommen würde, das ihr eigentlich unter den Nägeln brannte: Männer!
Meine Mutter litt nämlich unter akuter Torschlusspanik. Was man ihr mit Ende fünfzig noch nicht einmal verübeln könnte, wenn sie für sich selbst einen Partner gesucht hätte. Aber da mein Vater sich, abgesehen von einer ständig wechselnden Anzahl Hühneraugen, einem schmerzhaften Hammerzeh und einer Sehschwäche, bester Gesundheit erfreute und sie auch sonst keinen Grund gehabt hätte, ihn gegen ein neues Exemplar Mann einzutauschen, konzentrierten sich ihre Bemühungen in Sachen Partnersuche auf ihre einzige Tochter: mich. Während all ihre Bridgefreundinnen ihre Töchter bereits unter die Haube gebracht hatten – besonders fleißige und engagierte sogar bereits zum zweiten Mal –, schien bei mir Hopfen und Malz verloren. Weit und breit kein Ehemann in Sicht.
Um diesem traurigen und unwürdigen Zustand ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, hatte meine Mutter vor einiger Zeit sogar heimlich eine Kontaktanzeige für mich aufgegeben. Statt einer Chiffre-Nummer hatte sie meine Telefonnummer abdrucken lassen, was zur Folge hatte, dass zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten Herrscharen von Männern bei mir anriefen, die darauf brannten, eine »lebenslustige, sexuell aktive Blondine mit kulturellem Background« kennenzulernen. Eigentlich hatte es heißen sollen »sehr aktive«, aber da meine Mutter, um Geld zu sparen, das »sehr« durch »s.« abgekürzt hatte und die Dame in der Anzeigenannahme des
Weitere Kostenlose Bücher