Aszendent Blödmann
Sinn kam. Aber irgendwie war ich total blockiert.
Nervös trommelte ich mit meinem Stift auf dem Papier herum. Wenn ich den Abteilungsleiterjob haben wollte, musste ich zeigen, was ich draufhatte. Jetzt ging’s um die Wurst. Bisher war alles nur harmloses Vorgeplänkel gewesen – die Aufwärmphase war vorbei, das eigentliche Rennen begann. Die Fürstin der Finsternis hatte soeben den Startschuss gegeben. Dass sie die Konzepte in Form einer
Wettbewerbspräsentation vorgestellt haben wollte, erzeugte zusätzlichen Druck. Zumindest bei mir. Während ich mir vor lauter Nervosität fast in die Hose machte und an nichts anderes mehr denken konnte, hatte Kai auf Ilkas Ankündigung mit beneidenswerter Gelassenheit reagiert. Irgendetwas würde ihm schon ein- oder in den Schoß fallen. So wie immer …
Als bekennende Perfektionistin war ich es gewöhnt, einen hohen Anspruch an meine Arbeit zu stellen, doch dieses Mal ging ich mit noch mehr Ehrgeiz an die Sache heran. Falls das überhaupt möglich war. Mein Konzept musste nicht sehr gut, es musste perfekt werden. Originell, schlüssig und von A bis Z durchdacht. Denn nur so hatte ich eine Chance, gegen Kai zu bestehen. Nicht dass ich damit gerechnet hätte, dass seine Präsentation besonders gut werden würde – dafür war er, wenn er sich seit unserer Schulzeit nicht um hundertachtzig Grad gedreht hatte, viel zu faul. Allerdings befürchtete ich, dass Ilka bei der Bewertung mit zweierlei Maß messen würde.
Am liebsten hätte ich gleich mit der Ausarbeitung des Konzepts begonnen, doch erstens fehlten mir nach wie vor die zündenden Ideen, und zweitens musste ich nach Hause. Charlotte und Ben hatten sich angesagt. Nachdem ich mit dem Architekten für den kommenden Tag einen Termin vereinbart und Fred mit einem kleinen Leckerli versorgt hatte, griff ich nach meiner Jacke. »Ciao, mach’s gut.«
»Ciao«, antwortete Kai an Freds Stelle. »Bis morgen.«
»Wird sich wohl kaum vermeiden lassen«, murmelte ich.
Ich hatte kaum meine Jacke ausgezogen, da standen Charlotte und Ben auch schon auf der Matte. »Der junge Mann hat die Hosen voll«, verkündete meine Freundin anstelle einer Begrüßung und steuerte zum Wickeln das Schlafzimmer an.
Gerade wollte ich den beiden folgen, da klingelte es erneut. Ich konnte es kaum erwarten, endlich mein Patenkind in die Arme zu schließen, zu herzen und zu knuddeln. Dementsprechend genervt riss ich die Wohnungstür auf. Und hätte sie am liebsten gleich wieder zugeschlagen. Vor mir stand der Albtraum meiner schlaflosen Nächte: Kai. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Geben Sie’s zu, Sie haben schon was vermisst.«
»Eingebildet sind Sie wohl gar nicht.« Der Typ litt unter gnadenloser Selbstüberschätzung.
»Oh, nein, nein, nicht was Sie jetzt denken.« Kai lächelte treuherzig. »Obwohl es mich natürlich freuen würde, wenn Sie mich vermisst hätten. Sie haben Ihr Portemonnaie auf dem Schreibtisch liegen gelassen.«
Kai hielt mir eine Geldbörse aus schwarzem Leder entgegen, die ich auf den ersten Blick als meine identifizierte, doch anstatt sie an mich zu nehmen, stand ich einfach nur mit hängenden Armen im Türrahmen. Vor Schreck war ich wie gelähmt. An Kais Gesichtsausdruck versuchte ich abzulesen, ob meine Tarnung aufgeflogen war.
»Ich dachte, Sie brauchten das Portemonnaie vielleicht. Ist ja alles drin. Führerschein, Personalausweis, EC-Karte, Kreditkarten …« Nur die Payback-Karte, mit der ich beim Einkaufen fleißig Punkte sammelte, um mich anschließend für meine Verschwendungssucht mit hübschen Prämien zu belohnen, hatte er bei seiner Aufzählung vergessen.
»Sie haben in meinem Portemonnaie herumgeschnüffelt?«, fragte ich so entsetzt, als hätte er heimlich meine Wäscheschublade durchwühlt.
Wenn ich ehrlich war, konnte ich ihm daraus noch nicht einmal einen Vorwurf machen, denn wie sonst hätte er wissen sollen, wo ich wohnte? Falls er also tatsächlich einen Blick auf meinen Personalausweis geworfen hatte, wusste er nun Bescheid, denn natürlich war dort, genau wie auf allen anderen offiziellen Dokumenten, mein vollständiger Name »Anastasia Melina Müller« aufgeführt.
Es wunderte mich, dass Kai nicht ohnehin längst über meine wahre Identität im Bilde war, denn offenbar konnte er Gedanken lesen. »Natürlich habe ich nicht in Ihrem Portemonnaie herumgeschnüffelt. Das war ein Scherz. Marianne hat mir Ihre Adresse verraten.«
Erleichtert atmete ich auf. Das war ja gerade noch mal gut
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