Aszendent Blödmann
waren zum Mittagessen verabredet. Weißt du eigentlich, wie schwer es gewesen ist, meine Schwiegermutter zu überreden, auf Ben aufzupassen?« Aufgebracht fuchtelte sie mit den Händen vor meinem Gesicht herum.
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. So ein Mist, die Verabredung mit Charlotte hatte ich völlig verschwitzt. »Oh Gott, Charly, das tut mir so leid.«
Und damit meinte ich nicht nur unsere geplatzte Verabredung. War es nicht meine Pflicht als beste Freundin, Charlotte von der Begegnung mit Andreas zu berichten? Aber vielleicht hatte es sich ja wirklich nur um ein harmloses Arbeitsessen gehandelt … Oder doch um ein Vorspiel mit Lebensmitteln? Im Nachhinein hätte ich mich selbst in den Hintern beißen können. Ich war einfach nicht auf Zack gewesen. Anstatt Andreas’ Begleiterin einfach nur blöd anzuglotzen, hätte ich mal lieber an ihr schnuppern oder sie nach ihrer Parfümmarke fragen sollen. Dann wüsste ich jetzt wenigstens, ob sie als potenzielle Geliebte in Betracht kam oder aus dem Kreis der Verdächtigen ausschied. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus entschloss ich mich, Charlotte nichts zu sagen. Sie würde sich nur wieder unnötig aufregen, und bewiesen war nach wie vor gar nichts.
»Was war denn los?«, fragte Charlotte nun schon etwas milder. Sie kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich sie ohne triftigen Grund nicht einfach so versetzen würde. »Red schon, was ist dazwischengekommen?«
»Eine … ääh«, ich fixierte Charlottes Ohrläppchen, an dem eine große silberne Creole baumelte, »… eine plötzliche Todesnachricht.«
Nun war es an Charlotte, betroffen auszusehen. Teilnahmsvoll streichelte sie meinen Arm. »Oh nein, Mel, wie schrecklich. Und ich blöde Kuh mache dir sogar noch Vorwürfe. Wer ist denn gestorben? Jemand aus deiner Familie? Kenne – oder besser gesagt: Kannte ich den Toten?«
»Nein, nein, war alles bloß falscher Alarm.«
»Lass mich raten, deine Großtante Anastasia hat mal wieder einen Schlaganfall bekommen, aber sie hat dem Sensemann wie üblich den Stinkefinger gezeigt.«
»Tante Anastasia geht’s blendend. Hoffe ich zumindest.« Ich klopfte dreimal an meinen Kopf, nur so zur Sicherheit. »Ich dachte, Kai müsste den Löffel abgeben, aber das war wohl nur ein Missverständnis.«
»Wie bedauerlich«, knurrte Charlotte. »Das wäre doch endlich mal eine gute Nachricht gewesen. Der Kerl ist sich aber auch wirklich für nichts zu schade. Jetzt versucht er sogar auf die Mitleidstour, an den Job ranzukommen.«
Kai, der noch kurz zu seinem Auto gegangen war, um etwas zu holen, konnte jeden Moment auftauchen, und dann würde Charlotte ihm mitten im Foyer vor den Mitarbeitern und Gästen die Augen auskratzen. Einer solchen Szene fühlte ich mich in meiner gegenwärtigen Verfassung nicht gewachsen. »Komm, lass uns noch schnell an der Hotelbar einen Kaffee trinken«, schlug ich vor und zog Charlotte mit sanfter Gewalt hinter mir her.
Einen Kaffee konnte ich jetzt dringend brauchen. Denn nicht nur der Gyrosteller musste erst einmal verdaut werden. Obwohl ich eigentlich vorgehabt hatte, den kleinen Zwischenfall für mich zu behalten, konnte ich keine fünf Minuten damit hinter dem Berg halten. »Kai wollte mit mir Brüderschaft trinken«, platzte es aus mir heraus, noch bevor unser Milchkaffee fertig war. »Mitten auf der Straße.«
»Brüderschaft trinken?« Charlotte musterte mich, als hätte ich einen Dachschaden. »Mitten auf der Straße? Wie soll denn das gehen?«
»Na ja, dann eben nur Brüderschaft schließen. Ohne was zu trinken.« Unbehaglich rutschte ich auf meinem Stuhl herum. Apropos trinken: Wann kam denn endlich unser Kaffee? Mussten die Bohnen erst noch gepflückt werden?!
»Ich hoffe, du hast ihn zur Hölle geschickt. Selbst wenn der Kerl der einzige Mann auf der Welt wäre, ist das noch lange kein Grund, ihn zu küssen! Hör mal, Mel, wenn du dir wehtun willst, pack auf eine heiße Herdplatte oder puhl mit einer Stricknadel in der Steckdose herum. Aber lass bloß die Finger von diesem Blödmann.«
»Jetzt reg dich mal wieder ab. Natürlich habe ich ihn nicht geküsst!« Wie kurz ich davor gewesen war, musste ich Charlotte ja nicht unbedingt auf die Nase binden. »Aber wer weiß, vielleicht hat er sich ja seit der Schulzeit geändert«, schickte ich noch zaghaft hinterher.
»Die Preise ändern sich, das Wetter ändert sich, die Mode ändert sich, aber doch nicht Kai Hoffmann! Eher wird eine Katze Vegetarier. Himmel, Mel, wie naiv
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