Aszendent Blödmann
Spaß.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich Single bin?«
»Sind Sie nicht?« Überrascht sah Kai vom seinem Gyrosteller auf, den der Kellner in der Zwischenzeit serviert hatte.
»Nein, bin ich nicht.«
»Ich dachte ja nur, weil Ihr Freund nie anruft oder Sie von der Arbeit abholt …«
»Das braucht er auch nicht. Conrad …« Shit. Ich biss mir auf die Lippen. Das war mir jetzt einfach so rausgerutscht.
»Conrad?« Kai ließ die Gabel sinken. Wie immer, wenn er etwas nicht auf Anhieb verstand, bildete sich eine steile Falte auf seiner Stirn. »Unser Conrad? Conrad Wallemrath?«
Ich dachte fieberhaft nach. Natürlich könnte ich lügen und behaupten, dass es sich um einen anderen Conrad handelte. Allerdings wagte ich zu bezweifeln, dass Kai mir das abkaufen würde. Ach, was soll’s, dachte ich. Kai würde dieses Geheimnis vermutlich eh mit ins Grab nehmen.
»Conrad Wallemrath«, bestätigte ich deshalb knapp.
»Wie’s aussieht, haben wir beide eine Schwäche für Oldtimer«, scherzte Kai, ohne mich dabei anzusehen. Bevor ich ihn für diesen unpassenden Vergleich zurechtweisen konnte, setzte er noch hinzu: »Ist ein netter Kerl, der Conrad Wallemrath.« Damit schien für Kai die Sache erledigt zu sein. Schweigend widmete er sich wieder seinem Gyros. Woran Kai auch erkrankt sein mochte, den Appetit hatte es ihm zum Glück nicht verschlagen.
»Schön, dass wir endlich mal dazu kommen, uns ein bisschen privat zu unterhalten«, sagte Kai, als wir mit dem Essen fertig waren. »Ich bin echt froh, dass Sie mich begleitet haben.«
»Ich auch. Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben – ich bin immer für Sie da«, erklärte ich feierlich, nachdem ich mir zwei weitere Ouzo, die der Kellner mit der Rechnung gebracht hatte, genehmigt hatte. Sowohl die Nachricht von Kais baldigem Ableben als auch der Alkohol machten mich rührselig.
»Danke für das Angebot. Ich werde sicher schon bald darauf zurückkommen.«
Aus seiner Jackentasche fischte Kai eine Tablettenpackung, drückte zwei rotgrüne Kapseln heraus und spülte sie mit einem Schluck Wasser herunter. Vergeblich versuchte ich, die Aufschrift auf der Packung zu entziffern, doch Kai war schneller – er ließ die Tabletten mit einem leisen Hüsteln wieder in seiner Jacke verschwinden.
»Alles O. K.?«, fragte ich mitfühlend.
»Ja, danke, mir geht’s wirklich schon viel besser als heute Morgen.«
Unglaublich, wie tapfer er war! Ich spürte, dass mir erneut die Tränen in die Augen schossen. Plötzlich ertrug ich es nicht länger, um den heißen Brei herumzureden. »Jetzt tun Sie doch nicht so heldenhaft«, explodierte ich. »Ich habe das Telefonat vorhin mitangehört.«
Kai runzelte die Stirn. »Das Telefonat? Ach, das Telefonat meinen Sie. Na, dann wissen Sie ja jetzt Bescheid. Leider gibt Doktor Dahlmann mir nicht mehr viel Zeit.«
Ich bewunderte Kai, wie gefasst er damit umging. Wenn mir jemand sagen würde, dass ich nicht mehr lange zu leben hätte, würde ich vermutlich völlig durchdrehen. »Wie lange?«, fragte ich beklommen.
»Eine Woche.«
»Waaas? Nur eine Woche?« Vor Entsetzen schnürte es mir fast die Kehle zu. »Und dann sitzen Sie noch hier rum und mampfen Gyros?«, brach es aus mir heraus. »Sicher haben Sie doch noch jede Menge zu tun.«
Andererseits: Was war so wichtig, dass es unbedingt noch vor dem Tod erledigt werden musste? Bevor ich in den Urlaub fuhr, machte ich mir immer einen Heidenstress damit, alles hübsch sauber und geordnet zu hinterlassen. Warum eigentlich? Einem Einbrecher war es bestimmt völlig schnurz, ob die Fenster geputzt waren oder hinter dem Fernseher ein paar Staubflocken herumlagen. In Kais Fall sah die Sache natürlich schon anders aus. Er würde von seiner langen, langen Reise nicht zurückkehren. Vielleicht machte er es ja genau richtig. Nach mir die Sintflut! Einfach das Leben bei einem leckeren Essen ausklingen lassen.
Kai winkte ab. »Ach, alles halb so wild. Das hört sich schlimmer an, als es ist. Eine Woche ist lang. Bis Doktor Dahlmann zum Ärztekongress nach Mexiko fliegt, habe ich das Konzept locker nachgebessert. Und falls er dann immer noch nicht zufrieden damit ist, werde ich mich einfach nach einem anderen Arzt umsehen, der mein Fett-weg-Programm betreut.«
Hatte er gerade Fett-weg-Programm gesagt?!? Ich würde schon dafür sorgen, dass er sein Fett weg bekam! Heißer Zorn flammte in mir auf, der Ouzo wirkte dabei wie Brandbeschleuniger. Am liebsten hätte ich Kai mit seinem albernen Schal
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