Aszendent Blödmann
schien, lief gerade zu Höchstform auf. »Wie kleide ich mich figur- und typgerecht? Wie ernähre ich mich richtig?«, deklamierte er mit weit ausholenden Gesten. »Wie bekämpfe ich die Speckpölsterchen gezielt an den Problemzonen? Was kann ich gegen Pfirsichhaut tun? Bei all diesen typischen Frauenthemen stehen Experten unseren Gästen mit Rat und Tat zur Seite.«
Frauenthemen – sehr richtig. Und das kam dabei heraus, wenn Männer sich einmischten. »Und? Was schlagen Sie vor? Wie lässt sich Pfirsichhaut wirkungsvoll bekämpfen?« Meine Stimme triefte vor Ironie. »Mit Nikotin? Schokolade? Alkohol?«
Sichtlich aus dem Konzept gebracht, überflog Kai seine Aufzeichnung. Doch zum Stichwort »Pfirsichhaut« konnte er offenbar nichts Erhellendes finden.
»Bestimmt meinten Sie Orangenhaut«, erlöste Susanne ihn für meinen Geschmack viel zu schnell aus seiner misslichen Lage.
Kai bedankte sich bei seiner Wohltäterin mit einem strahlenden Lächeln. »Orangenhaut, Pfirsichhaut, Apfelhintern, Birnenpopo – bei so vielen süßen Früchtchen kann man schon mal ein bisschen ins Schleudern geraten.« Ilka und Susanne lachten, und sogar Conrad schmunzelte. Elender Verräter!
»Seien wir doch mal ehrlich. Welche Frau wünscht sich nicht insgeheim eine Rundumerneuerung? Jede Frau träumt davon, wie Phönix aus der Asche zu steigen«, machte Kai sich weiter für sein Konzept stark.
»Woher wollen Sie das denn wissen?« Ich schnaubte verächtlich und strich mir eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht. »Nur weil Sie ein Mal beim Zahnarzt im Wartezimmer eine Frauenzeitschrift gelesen haben, meinen Sie wohl, Sie wären jetzt ein Experte auf diesem Gebiet, oder was?«
»Würden Sie bitte aufhören, Ihren Kollegen ständig zu unterbrechen, Melina«, wies mich Ilka ärgerlich zurecht. »Sie durften schließlich auch ungestört Ihr Konzept präsentieren. Kai verdient die gleiche Chance.«
Pah, das Einzige, was dieser Schweinepriester verdiente, war eine ordentliche Tracht Prügel! Ich ballte meine Hände so fest zusammen, dass sich die Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen bohrten. Innerlich bebte ich vor Wut. Während Kai weiter in den leuchtendsten Farben beschrieb, wie er übergewichtigen Menschen dabei helfen wollte, nicht nur ihre Pfunde, sondern auch viel Geld im Wallemrath Hotel loszuwerden, versuchte ich, mir eine Strategie zurechtzulegen.
Eins war sicher: Kais jüngste Sabotageaktion zwang mich zu handeln. Ich konnte nicht weiter in aller Seelenruhe zusehen, wie er sich den Job unter den Nagel riss. Mit diesem falschen Spiel durfte er nicht durchkommen! Ich musste unbedingt etwas unternehmen. Bloß: Was?!?
In meinem Kopf herrschte gähnende Leere, wenn man von ein paar vereinzelten Nebelschwaden einmal absah. Vielleicht lag es an der Müdigkeit. Oder an der Erkältung. Möglicherweise war aber auch meine unglaubliche Wut auf Kai schuld daran, dass ich außerstande war, auch nur einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen, der nichts mit Mord oder Folter zu tun hatte.
»Melina?!«
Ich zuckte zusammen, als ich meinen Namen hörte. »Wie bitte?«
»Mir scheint, Sie sind nicht richtig bei der Sache«, tadelte die Fürstin der Finsternis mit vorwurfsvollem Blick.
»Verzeihung. Ich bin heute einfach nicht auf der Höhe. Das Baby hat die halbe Nacht geweint …«
Ilkas tadellos gezupften Augenbrauen schnellten nach oben. »Offenbar sind Sie immer für eine Überraschung gut. Ich wusste ja gar nicht, dass Sie ein Baby haben.«
»Ich auch nicht. Also, ich meine: hab ich auch nicht.« Noch nicht, leider – setzte ich mit einem kurzen Seitenblick auf Conrad noch gedanklich hinzu.
»Vielen Dank für Ihre Mühe.« Erstaunlicherweise sah Ilka bei diesen Worten nicht nur Kai, sondern auch mich an. Vielleicht hatte sie aber auch lediglich ein bisschen geschielt. »Ich denke, wir haben zwei interessante Konzepte vorgestellt bekommen, grundlegend verschieden, sowohl was den Inhalt als auch was die Form der Darbietung betrifft. Zu gegebener Zeit werden wir Sie wissen lassen, für welches Konzept wir uns entschieden haben.«
Aufatmend stürmte ich aus dem Konferenzraum. Geschafft! Zwar hatte ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber ich war auch nicht heulend zusammengebrochen. In Anbetracht der Lage war das beinahe schon mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte.
Die Vorstellung, Kai gleich im Büro gegenüberzusitzen, war mir unerträglich, und so flüchtete ich an den einzigen Ort im Hotel, an dem ich vor ihm
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