Aszendent Blödmann
Abgetrennte Gliedmaßen? Herausquellende Gedärme? Auszusteigen traute ich mich nicht, denn meine Beine würden mir bestimmt den Dienst verweigern.
»Sie dumme Pute! Haben Sie Ihren Führerschein bei eBay ersteigert?!«, tönte es auf einmal höchst lebendig vom Heck meines Wagens herüber. »Wenn Sie nicht Auto fahren können, dann gehen Sie gefälligst zu Fuß oder nehmen den Bus.«
Gottlob, es ging ihm gut! Noch nie war ich so froh gewesen, Kai Hoffmann zu sehen. Noch dazu lebendig! Meine anfängliche Erleichterung legte sich jedoch schnell wieder. Wie undankbar! Anstatt froh und glücklich zu sein, dass der liebe Gott ihm ein zweites Leben geschenkt hatte, lamentierte er über ein paar Kratzer. Kai kniete vor seinem Allerheiligsten, beäugte den Schaden von allen Seiten und kriegte sich kaum wieder ein.
»Nun regen Sie sich mal nicht künstlich auf. Es ist doch überhaupt nichts passiert.« Mit wackeligen Knien stieg ich aus meinem Wagen.
Kai deutete auf eine fette Beule an seinem Kotflügel. »Nichts? Das nennen Sie nichts?!«
»Eine kleine Schramme. Für einen Schrauber und Bastler wie Sie eine Kleinigkeit.«
»Wissen Sie eigentlich, wie schwierig es ist, für einen Oldtimer Ersatzteile zu bekommen?! Aber was rede ich denn! Sie haben doch überhaupt keine Ahnung von Autos«, echauffierte sich Kai. »Lernen Sie erst einmal Gaspedal und Bremse zu unterscheiden, dann unterhalten wir uns weiter.«
Dieser aufgeblasene Vollidiot! Als gäbe es nichts Wichtigeres als einen Haufen Blech auf vier Rädern. Fast bedauerte ich es schon, dass ich das Gaspedal nicht ein bisschen länger gedrückt gehalten hatte.
Kai blitzte mich wütend an. »Ich hoffe, Sie sind gut versichert.«
»Wieso ich? Es steht doch noch gar nicht fest, wer den Schaden übernimmt. Dafür müsste ja wohl erst einmal die Schuldfrage geklärt werden.«
Ein halb offener Mund lässt nur die wenigsten Menschen intelligent aussehen. Kai gehörte eindeutig nicht dazu. »Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, dass es meine Schuld ist, dass Sie rückwärts in meinen Mercedes gerauscht sind!«
Ich nickte nachdrücklich. »Doch genau so ist es. Streng genommen ist sowieso alles Ihre Schuld!« Kai nun auch noch für die Armut in der Dritten Welt und die Klimaerwärmung verantwortlich zu machen war möglicherweise nicht ganz fair. Aber bei einem Mann, der Fairness allenfalls für einen Lückenfüller im Duden hielt, spielte das wohl kaum eine große Rolle. »Wenn Sie meine CD nicht zerstört hätten, damit ich die Präsentation in den Sand setze, wäre ich nicht so von der Rolle gewesen, dass ich den Vorwärts- mit dem Rückwärtsgang verwechselt habe.« Klang doch eigentlich ganz logisch, oder? »Sie sind also selbst schuld, dass Ihre bescheuerte Heckflosse was abbekommen hat.«
»Das sieht die Versicherung unter Umständen aber etwas anders. Außerdem: Wieso sollte ich Ihre CD zerstören?«
Meine Knie hatten aufgehört zu schlottern, dafür zitterte ich jetzt am ganzen Körper. Vor Wut! »Das Unschuldslamm kaufe ich Ihnen nicht ab! Glauben Sie im Ernst, ich wüsste nicht, was hier gespielt wird?! Sie haben doch das Gerücht in Umlauf gebracht, ich sei schwanger.« Ich spießte ihn mit meinem anklagend ausgefahrenen Zeigefinger fast auf. »Aber das war ja Pullala im Vergleich zu Ihren anderen Intrigen. Neulich der verschwundene Zettel vor dem Fotoshooting, der Virus auf meinem Computer und jetzt auch noch die zerkratzte CD. Und wahrscheinlich haben Sie nur probiert, mich zu küssen, um mir Ihre Grippe anzuhängen! Seit Sie hier aufgetaucht sind, versuchen Sie, mir zu schaden und meine Arbeit zu sabotieren.«
Kai, der sich meine flammende Rede schweigend angehört hatte, schüttelte ärgerlich den Kopf. »Pah, lächerlich. Jetzt hören Sie endlich auf mit Ihren haltlosen Unterstellungen, sonst lernen Sie mich mal von meiner unangenehmen Seite kennen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie eine angenehme Seite haben.«
»Wenn Sie möchten, können wir auch gerne die Polizei hinzuziehen. Vielleicht ist die Ihnen ja angenehmer.« Kai wandte sich kopfschüttelnd wieder seinem Auto zu und knurrte: »Frauen wie Sie benutzen den Rückspiegel wirklich nur zum Schminken.«
Ich hatte keine Lust, mich weiter beleidigen zu lassen, deshalb stieg ich einfach in mein Auto, grüßte huldvoll und brauste erneut los. Rückwärts mit Karacho in Kais Auto. Dann legte ich den Vorwärtsgang ein und fuhr in dem beruhigenden Gefühl, Kai einen Denkzettel verpasst zu
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