Aszendent Blödmann
dass diese Form der Darbietung hervorragend zu meinem Konzept passt.« Ich scribbelte mit ein paar Strichen einen Notenschlüssel, einen Pinsel und ein aufgeschlagenes Buch auf das Papier.
Während Susanne und Conrad freundlich amüsiert mein Kunstwerk betrachteten, verzog Ilka spöttisch ihren dunkelrotgeschminkten Mund. »Was wird das hier? Montagsmaler?«
»So ähnlich.« Gar nicht mal so übel, die Idee. Dankbar für diese ungewollte Anregung, fuhr ich fort: »Und als ausgefuchste Rateprofis wissen Sie sicher schon, nach welchem Begriff gesucht wird.«
»Kultur!«, rief Susanne mit kindlicher Freude und knuffte Conrad lachend in die Rippen.
Ich musste zugeben, dass Susanne für ihr Alter noch verdammt frisch und jugendlich wirkte. Natürlich hatte sie ein paar Fältchen im Gesicht, aber genau wie die Knitter in ihrem Leinenanzug sahen sie so aus, als gehörten sie ganz einfach dahin. Was die Figur betraf, hätte man Ilka und ihre Mutter von hinten glatt verwechseln können, und in Susannes modischer Kurzhaarfrisur konnte ich nicht ein einziges graues Haar entdecken. Entweder der liebe Gott hatte es gut mit ihr gemeint, oder ihr Friseur verstand sein Handwerk.
»Weißt du noch?« Susannes Augen funkelten vergnügt. »Bei Wer wird Millionär hattest du auch nie den Hauch einer Chance gegen mich.«
Conrad grinste. »Aber nur, weil ich dich immer habe gewinnen lassen. Wenn du verlierst, bist du ja tagelang ungenießbar.«
Der triumphierende Gesichtsausdruck, mit dem Ilka die kleine Kabbelei ihrer Eltern verfolgte, war nicht zu übersehen. Die Vertrautheit zwischen Conrad und Susanne leider auch nicht. Obwohl ich mir einredete, dass das nach so vielen Jahren Ehe ganz normal war, versetzte mir die Szene einen schmerzhaften Stich.
»Richtig: Kultur«, bestätigte ich in Entertainermanier munter, eifrig darum bemüht, mir von meinen Gefühlen nichts anmerken zu lassen. »Kultur pur sozusagen. Musik, Malerei, Literatur …« Wie in Trance spulte ich mein Programm ab. Hin und wieder malte ich aus dem Kopf kleine Skizzen oder Diagramme an das Flipchart. Zugegeben, ein zweiter Picasso war ich nicht gerade, aber ein bisschen mehr als Punkt, Punkt, Komma, Strich brachte ich auf dem Papier schon zustande. Zum Glück war es mir gelungen, vor der Präsentation auf den letzten Drücker rasch noch einige Tabellen und Kostenkalkulationen auszudrucken, die auf meinem Firmenrechner gespeichert waren, sodass ich meinen Vortrag mit Zahlenmaterial unterfüttern konnte.
Dann war Kai an der Reihe. Hat er eigentlich schon immer so ein breites Kreuz gehabt, fragte ich mich unwillkürlich, als er sich in Positur stellte. Vielleicht benutzte er ja auch Schulterpolster, um männlicher zu wirken. Diesem Blender traute ich so ziemlich alles zu …
Mit Hilfe des Beamers warf Kai das Intro seiner Präsentation an die Wand. Zugegeben, das sah schon ein bisschen schicker und professioneller aus als meine naive Malerei.
»Mein Konzept steht unter dem Motto: Bei uns bekommen Sie Ihr Fett weg!«, begann Kai mit ruhiger, tiefer Stimme. »Eine Abnehmkur unter ärztlicher Aufsicht mit begleitendem Beauty- und Wellnessprogramm. Inklusive Vorher-Nachher-Fotos, Personal Training, Ernährungsberatung und allem Pipapo.« Nach einer allgemeinen Einführung und einem kurzen Überblick über das, was uns erwartete, widmete er sich den verschiedenen Themenkomplexen.
»Natürlich sind auch Männer jederzeit herzlich willkommen«, erklärte Kai großzügig, als er bei der Zielgruppendefinition angelangt war. »Allerdings ist das Programm insbesondere auf das weibliche Klientel abgestimmt.«
Den bitteren Geschmack in meinem Mund führte ich auf die Galle zurück, die mir bei Kais Worten hochgestiegen war. »Mich überrascht es nicht, dass Sie keine dicken Frauen mögen«, entfuhr es mir ärgerlich.
Kai hob beschwichtigend die Hände. »Oh, bitte keine voreiligen Schlüsse. Wer fleischlose Gerichte anbietet, muss ja nicht zwangsläufig selbst Vegetarier sein. Ich persönlich mag es durchaus, wenn an einer Frau ein bisschen was dran ist.«
»Kais persönlicher Geschmack steht hier überhaupt nicht zur Debatte«, zischte Ilka mich wütend an. Und mit einem Lächeln in Kais Richtung sagte sie zuckersüß: »Bitte, lassen Sie sich nicht stören, Kai. Fahren Sie fort!«
Ich nahm mir fest vor, von nun an die Klappe zu halten, doch ein paar Minuten später ging es erneut mit mir durch. Kai, der sich mit seiner Zielgruppe bereits voll und ganz zu identifizieren
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