Aszendent Blödmann
trat ich ein paar Schritte nach hinten. Heiliger Bimbam, wie tief war ich gesunken, dass ich meine Chefin sogar bis auf die Pipibox verfolgte!?
Von drinnen vernahm ich lautes Prasseln. Ilka musste das Wasser bis zum Hals gestanden haben. Nachdem die Geräuschkulisse verebbt war, richtete sie das Wort durch die geschlossene Tür wieder an mich. »Sie haben Glück, dass ich so vergesslich bin. Dieses Gespräch hier hat – schon in Ihrem eigenen Interesse – nie stattgefunden. Außerdem: Selbst wenn an Ihrer abenteuerlichen Geschichte etwas dran sein sollte – was ich im Übrigen sehr bezweifele –, müsste eine Führungskraft eigentlich in der Lage sein, mit dieser Situation umzugehen.«
Zack, abgewatscht. Aus dieser Richtung war ganz bestimmt keine Hilfe zu erwarten. Wie ein getretener Hund schlich ich an meinen Arbeitsplatz zurück.
Den Rest des Tages behandelte ich Kai, als wäre er Luft. Wenn wir uns gleichzeitig in unserem Büro aufhielten, verschanzte ich mich hinter meinem Computer, außerhalb unseres Büros mied ich ihn, als wäre er radioaktiv verseucht. Was hätte ich auch sonst tun sollen?! Wieder einmal konnte ich ihm nichts beweisen, es gab weder Zeugen noch eindeutige Spuren, und freiwillig würde er wohl kaum zugeben, mit welchen miesen Tricks er gearbeitet hatte, um die Präsentation für sich zu entscheiden. Denn dass er gewonnen hatte, stand für mich außer Frage. Nicht nur, dass Ilka mich als schlechte Verliererin bezeichnet hatte, selbst auf mich hatte sein Konzept griffiger, durchdachter, ja einfach überzeugender gewirkt. Und das hatte vor allem an der Art der Darbietung gelegen.
Als ich Feierabend machte, begann auch Kai gerade, seinen Kram zusammenzupacken. Er musste sich mächtig beeilt haben, denn er holte mich noch vor dem Aufzug ein. Einen Moment war ich versucht, die Treppe zu nehmen. Obwohl – wieso eigentlich? Wenn hier einer einen Grund hatte, mir aus dem Weg zu gehen, dann ja wohl Kai! Auf der Fahrt nach unten heftete ich meinen Blick starr auf die Stockwerkanzeige: 3, 2, 1 … War der Aufzug eigentlich immer schon so langsam gewesen? Hoffentlich blieb er unterwegs nicht stecken, denn Kai und ich eingesperrt in dieser engen Kabine – das würde einer von uns garantiert nicht überleben. Endlich hatten wir das Erdgeschoss erreicht. Schweigend durchquerten wir die Hotellobby und traten fast gleichzeitig durch die geöffnete Eingangstür ins Freie hinaus.
»Ich kann ja verstehen, dass Sie enttäuscht sind«, begann Kai plötzlich wie aus heiterem Himmel. »Aber ich finde, dafür, dass Sie improvisieren mussten, haben Sie sich verdammt gut geschlagen.«
So, das reichte jetzt aber! Was zu viel war, war zu viel. Überheblichkeit, Triumph – zur Not auch Schadenfreude, mit allem hätte ich umgehen können, aber nicht mit diesem gönnerhaften, scheinheiligen Getue. »Für wie blöd halten Sie mich eigentlich? Glauben Sie, ich hätte Ihre üblen Machenschaften nicht längst durchschaut?«, fauchte ich Kai an. Er hatte genau hinter mir geparkt, sodass wir auf dem Parkplatz die gleiche Richtung einschlugen.
Im Gehen kramte ich meinen Autoschlüssel aus der Tasche. Nichts wie weg hier!, dachte ich. Wenn ich nur eine Minute länger in diese dämliche Visage gucken musste, konnte ich für nichts mehr garantieren. Vor Wut zitternd, stieg ich in mein Auto, startete den Motor und drückte das Gaspedal nach unten. So als hätte mein VW nur darauf gewartet, endlich mal zeigen zu dürfen, was er unter der Haube hatte, röhrte er wie ein brünstiger Hirsch laut auf und preschte mit quietschenden Reifen los. Rückwärts statt vorwärts! Offenbar hatte ich in der Hitze des Gefechts die Gänge vertauscht. Anstatt schnell auf die Bremse zu treten, drückte ich vor lauter Schreck das Gaspedal noch ein bisschen weiter nach unten. In halsbrecherischer Geschwindigkeit schoss der Wagen in die Richtung, in die Kai gerade verschwunden war.
Ich spürte einen dumpfen Aufprall, kurz darauf war ein lautes Knirschen zu hören. Oh mein Gott, ich hatte ihn überfahren! Da hatte ich immer so groß verkündet, dass Kai für den Job über Leichen gehen würde, und in Wirklichkeit war nun ich es, die ein Leben auf dem Gewissen hatte.
Mit schweißnassen Händen tastete ich nach meinem Handy, um Krankenwagen und Polizei zu informieren. Wenn nicht ohnehin jede Hilfe zu spät kam … Durch das offene Seitenfenster versuchte ich, das Ausmaß der Katastrophe abzuschätzen. Ich war auf das Schlimmste gefasst. Blut?
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