Aszendent Blödmann
sicher war: die Damentoilette. Nachdem ich die Tür meiner Kabine sorgfältig von innen verriegelt hatte, setzte ich mich auf den geschlossenen Toilettendeckel und starrte vor die weißen Wandfliesen. Meine Augen brannten, doch die erwartete Tränenflut blieb aus. Angestrengt überlegte ich, wie ich mich gegen Kais Intrigen zur Wehr setzen sollte. Nach einer Weile – waren zehn Minuten vergangen oder eine halbe Stunde? – ließ die rettende Idee zwar immer noch auf sich warten, aber zumindest hatte ich meine Nerven wieder so weit im Griff, dass ich mich stark genug fühlte, Kai gegenüberzutreten.
Als ich die Toilettenkabine verließ, betrat gerade Ilka den Waschraum. Mit dem Mut der Verzweiflung stellte ich mich ihr in den Weg. »Kann ich kurz mit Ihnen reden?«
»Hier?« Irritiert ließ Ilka ihren Blick über die Waschbecken gleiten.
»Es ist dringend.«
»Bei mir auch.« Unruhig trat Ilka von einem Fuß auf den anderen. »Warum lassen Sie sich von Marianne nicht einfach einen Termin geben?«
So lange konnte ich nicht warten! Bis die Fürstin endlich für mich zu sprechen war, hatte mich der Mut für diese Unterredung womöglich wieder verlassen, oder das nächste Desaster, das mich den Job kosten konnte, war bereits passiert. Ich versuchte, möglichst gefasst und ruhig zu klingen, obwohl meine Hände vor Nervosität eiskalt waren. »Ich weiß, das hört sich komisch an, aber irgendjemand versucht, meine Arbeit zu sabotieren.«
»Sie haben recht«, sagte Ilka völlig emotionslos.
»Sie wissen davon?!« War Ilka nur Mitwisserin, oder war sie an dieser Verschwörung womöglich sogar beteiligt?
»Nein, ich meine, Sie haben recht, dass es sich komisch anhört.« Ilka verzog spöttisch den Mund. Nur ein leichtes Kräuseln der Oberlippe – nichts weiter. Aber es reichte völlig, um ihre Geringschätzung zum Ausdruck zu bringen und mir das Gefühl zu vermitteln, dass ich der letzte Depp war. Diesen Oberlippentrick – hatte sie eigentlich die rechte oder die linke Seite leicht angelupft? – musste ich mir unbedingt merken. Gab es in den Staaten vielleicht ein Seminar, wo man so etwas lernen konnte? »Und wer ist Ihrer Meinung nach für diese Sabotage verantwortlich?«, fragte Ilka, sichtlich genervt, dass ich sie belästigte.
Ich zögerte einen Moment. Mein Mund war plötzlich staubtrocken, die Zunge klebte förmlich an meinem Gaumen. »Eigentlich kommt dafür nur einer infrage«, brachte ich mühsam hervor.
»Könnten Sie bitte etwas konkreter werden, anstatt mir mit diffusen Andeutungen meine Zeit zu stehlen? Wie gesagt, ich hab’s eilig.« Fast tat sie mir ein wenig leid, wie sie an meinem rechten Ohr vorbei sehnsüchtig die Toilettentür anpeilte.
»Nun, ich glaube, dass Kai Hoffmann meine Arbeit sabotiert. Die CD, auf der meine Präsentation abgespeichert war, ist mutwillig zerstört worden. Das kann kein Zufall gewesen sein.«
»Was Sie nicht sagen, Melina. Offenbar sind Sie keine allzu gute Verliererin. Ich persönlich finde es ja etwas unfein, um nicht zu sagen schäbig, Ihrem Konkurrenten so etwas zu unterstellen. Haben Sie das wirklich nötig? Ich würde mich nicht gerade zur Vorsitzenden Ihres Fanclubs wählen lassen, aber etwas mehr menschliche Größe hätte ich schon von Ihnen erwartet. Solche an den Haaren herbeigezogene Verdächtigungen sind nun wirklich unterstes Niveau.«
An den Haaren herbeigezogene Verdächtigungen? Unterstes Niveau? Was sollte ich auf diese Beleidigungen bloß erwidern? Ich wollte Ilka nicht auf die Füße treten – dafür aber umso lieber in den Hintern! Um nichts zu sagen, was ich später bereuen würde, zählte ich im Geiste bis zehn. Diesen kurzen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte Ilka geschickt aus. Flink wie ein Hase schlug sie um mich herum einen Haken und riss die Toilettentür auf. Doch so leicht ließ ich mich nicht abschütteln.
»Es ist ja nicht bloß die beschädigte CD – auch Yvonnes Mitteilung, dass der Fototermin für die Imagebroschüre vorverlegt wurde, muss er unterschlagen haben. Außerdem hat jemand«, schnell korrigierte ich mich, »außerdem hat Kai meinen Computer mit einem Virus verseucht.« Die Sache mit der angedichteten Schwangerschaft ließ ich lieber unerwähnt. Bei diesem Thema war Ilka mit Sicherheit befangen.
»Würde es Ihnen was ausmachen, draußen zu warten?«, unterbrach Ilka mich unwirsch. Während sie bereits an dem Verschluss ihrer Hose herumnestelte, schob sie mich rückwärts aus der Kabine.
»Verzeihung.« Beschämt
Weitere Kostenlose Bücher