Aszendent Blödmann
Planierraupe platt gewalzt worden. Nicht genug, dass ich todmüde und völlig übernächtigt war, was an und für sich schon ausgereicht hätte, um sich beschissen zu fühlen, darüber hinaus hatte mich eine Erkältung mit voller Breitseite erwischt. Meine Nase war so verstopft wie die Münchner Innenstadt morgens um sieben. Außerdem litt ich unter Kopfweh, Schluckbeschwerden und höllischen Gliederschmerzen. Dass ich genau wusste, wem ich diesen Zustand zu verdanken hatte, steigerte mein Allgemeinbefinden nicht sonderlich. Wahrscheinlich hatte Kai absichtlich eine Extraladung Bazillen rund um meinen Schreibtisch versprüht …
Aber es half ja alles nichts! Und wenn ich mit dem Kopf unter dem Arm in den Konferenzraum marschieren müsste – krankmelden kam überhaupt nicht in die Tüte. Jeder würde annehmen, ich versuchte, Zeit zu schinden oder mich zu drücken. Obwohl mir, das musste ich ehrlich zugeben, auch dieser Gedanke schon gekommen war.
»Mensch, du wärst mal besser im Bett geblieben.« Yvonne, die sehr darauf bedacht war, mir nicht zu nahe zu kommen, betrachtete mich aus einiger Entfernung mitfühlend. »Bist du dir sicher, dass ich die Präsentation nicht für dich absagen soll?«
»Todsicher.« Nervös schaute ich auf die Uhr.
»Bist du denn gestern Abend noch fertig geworden?«
»Jip.« Triumphierend schwenkte ich die CD-Hülle. »Eine echte Punktlandung. Ich geh jetzt alles noch einmal in Ruhe durch, dann kann’s von mir aus losgehen.«
Mit einem extra starken Kaffee bewaffnet, verschwand ich im Büro. Gerade hatte ich die CD in meinen Computer eingelegt, als Yvonne ins Zimmer gestürzt kam. »Du sollst bitte mal kurz zu Verena an den Empfang kommen.«
»Jetzt sofort?«
Yvonne nickte nachdrücklich. »Es klang dringend.«
Widerstrebend machte ich mich auf den Weg zur Rezeption. »Was gibt’s denn so Wichtiges?«
Verena sah vom Belegungsplan auf. »Na ja, sooo wichtig ist es nun auch wieder nicht. Die Druckerei hat eben das neue Briefpapier geliefert.«
Och, nö, das hätte nun wirklich bis nach der Präsentation Zeit gehabt! Als ich mit einer Kiste Briefbögen unter dem Arm ins Büro zurückkehrte, saß Kai, die langen Beine lässig von sich gestreckt, an meinem Schreibtisch. Wahrscheinlich hatte er gedacht, ich würde länger wegbleiben, und daher die Gunst der Stunde genutzt, um mich ein wenig auszuspionieren. Das sah diesem hinterhältigen Schuft ähnlich!
»Suchen Sie an meinem Schreibtisch irgendetwas Bestimmtes?«, fragte ich spitz. »Oder haben Sie es sich einfach nur so zum Spaß auf meinem Platz gemütlich gemacht?«
Der Mistkerl war so abgebrüht, dass er noch nicht einmal besonders schuldbewusst aussah. Kein Wunder: Lug und Betrug gehörten schließlich zu seinen ganz normalen Umgangsformen. Und natürlich hatte er auch gleich eine plausible Erklärung parat: »Ihr Telefon hat geklingelt, da bin ich rangegangen.«
»Und?«, fragte ich, um ihn in die Enge zu treiben. »Wer war’s?«
»Wer war was?«
»Na, am Telefon.«
»Ach so, das. Niemand.« Diese linke Bazille konnte lügen, ohne rot zu werden.
Ich spürte, wie mir die Galle hochstieg. »Wenn niemand am Telefon gewesen ist, wieso hat es dann geklingelt?«
»Falsch verbunden.« Kai machte immer noch keine Anstalten, meinen Platz zu räumen.
»Danke, dass Sie meinen Stuhl warm gehalten haben. Aber Sie können jetzt wieder aufstehen.«
Nachdem Kai sich endlich getrollt hatte, ging ich noch einmal meine Präsentation durch. Vielmehr: Ich versuchte es. Denn jedes Mal, wenn ich auf die CD zugreifen wollte, bekam ich die gleiche Meldung: »Datenträger defekt. Bitte legen Sie eine neue CD ein.«
Hinter meinen Schläfen begann es zu rauschen. Ich wusste genau, dass ich am Vorabend den Brennvorgang korrekt abgeschlossen hatte. Vielleicht befand sich die CD nur nicht richtig im Laufwerk. In heller Aufregung legte ich die kleine silberne Scheibe mit zitternden Fingern neu ein und startete einen weiteren Versuch, an meine Präsentation zu kommen.
Fehlanzeige!
Das leise Rauschen hinter meinen Schläfen schwoll an und steigerte sich schließlich zu einem wilden Tosen, laut und grollend, wie die Brandung des Pazifiks. Nach gefühlten hundert weiteren Anläufen kam ich auf die Idee, mir die CD ein wenig genauer anzuschauen.
Oh mein Gott! Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Ich traute meinen Augen kaum. Kein Wunder, dass die Daten nicht gelesen werden konnten.
Quer über die silberne Scheibe verlief ein Kratzer, so tief wie
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